Schweigen.
Auf Reden verzichtete Franziskus. Im Vorfeld des Besuchs hatte er gesagt, er hoffe, dass Gott ihm die Gnade gebe, in Auschwitz zu weinen. Alleine, selbst ohne den üblichen Personenschutz schritt Franziskus über den Schotterweg, auf den die Morgensonne den Schatten der Torinschrift warf. Ein Golfwagen brachte ihn weiter zum Appellhof mit seinem Sammelgalgen. Am Weg verweilte der Papst eine Viertelstunde lang in sich gekehrt sitzend und mit geschlossenen Augen. Vor der Weiterfahrt küsste er den Galgen. Die Geste erinnerte an den traditionellen Kuss des Kreuzes Jesu an Karfreitag.
Die ehemaligen KZ-Gefangenen umarmte Franziskus einzeln und wechselte Worte mit ihnen. Die älteste von ihnen war die polnische Violinistin Helena Dunicz Niwinska, die am Samstag ihren 101. Geburtstag begeht. Unter den Überlebenden war auch ein Deutscher, der Münchner Peter Rauch. Von den früheren Häftlingen empfing Franziskus eine Kerze, mit der er ein Licht vor der Erschießungsmauer am sogenannten Todesblock 11 entzündete.
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Bei dem Besuch des Blocks 11 war Polens Ministerpräsidentin Beata Szydlo zugegen. Wiederum alleine betrat der Papst den Hungerbunker, in dem Pater Maximilian Kolbe seine letzten Wochen bis zur Tötung durch eine Phenolspritze verbrachte. Minutenlang saß Franziskus vornübergebeugt auf einem Schemel in der fast lichtlosen Zelle, bevor er sich bekreuzigte und eine Segensgeste vollzog.
Mit einem Eintrag in das Besucherbuch bat der Papst um Vergebung für die Gräueltaten. "Herr, erbarm dich über dein Volk! Herr, vergib so viel Grausamkeit!", schrieb er auf Spanisch nach seiner Visite des ehemaligen deutschen Konzentrationslagers in das Besucherbuch. Die Gedenkstätte verbreitete ein Foto der Seite über Twitter.
Anschließend fuhr der Papst in das nahegelegene Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau weiter. Dort ermordeten die Nazis mehr als 1,1 Millionen Menschen. Fast eine Million davon waren Juden. Der Papst schritt im Beisein von rund 1.000 Gästen die Tafeln der Gedenkstätte ab und deponierte ein Licht vor dem Denkmal. Polens Oberrabbiner Michael Schudrich rezitierte auf Hebräisch den Psalm 130: "Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir." Danach begrüßte der Papst mehrere Personen, die unter Gefahr ihres eigenen Lebens Juden gerettet hatten und dafür von Israel als "Gerechte unter den Völkern" ausgezeichnet worden waren.
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Vor Franziskus hatten die Päpste Johannes Paul II. 1979 und Benedikt XVI. 2006 Auschwitz besucht. Beide beteten wie der aktuelle Papst in der Zelle Kolbes, hielten aber im Unterschied zu ihm Ansprachen. Darüber hinaus ist der aus Argentinien stammende Franziskus der erste Papst, der Auschwitz besucht und keine direkte Verbindung zu den auf Täter- oder Opferseite beteiligten Völkern hat.
Papst Franziskus war am Mittwoch in Polen eingetroffen und hat vor dem Besuch in Auschwitz bereits den Wallfahrtsort Tschenstochau besucht. Der eigentliche Grund seiner Polenreise ist der katholische Weltjugendtag in Krakau. Dorthin flog er nach seinem Besuch in Auschwitz per Hubschrauber zurück. In der südpolnischen Metropole wollte Franziskus am Nachmittag eine Kinderklinik besuchen. Am Abend stand ein Kreuzweg mit Jugendlichen auf dem Programm (bod/KNA)
29.07.2016, 12.15 Uhr: ergänzt um den Eintrag des Papstes in das Besucherbuch