Selbsternannter Missionar des Atheismus
Mit seinen Streitschriften "Der Gotteswahn" (2006) und "Die Schöpfungslüge" (2009) wurde der selbsternannte Missionar des Atheismus weltbekannt. "Wenn dieses Buch die von mir beabsichtigte Wirkung hat, werden Leser, die es als religiöse Menschen zur Hand genommen haben, es als Atheisten wieder zuschlagen", schreibt er in der Einleitung zu "Gotteswahn".
Dawkins' Credo lautet: "Religion ist irrational, fortschrittsfeindlich und zerstörerisch." Der Glaube an Gott sei nicht vernünftig. Religion schade einer Gesellschaft und sei "die Wurzel aller Übel". Der Evolutionsbiologe bekämpft jede Auffassung, die in der Existenz des Universums und des menschlichen Lebens den Eingriff eines schöpferischen Gottes sieht. Die Wahrscheinlichkeit der Existenz Gottes hält er für "sehr gering". Existierte Gott, sähe die Welt völlig anders aus, meint Dawkins.
Der Körper nur eine "Überlebensmaschine" für die Gene?
Bekannt wurde er 1976 mit seinem Buch "The Selfish Gene" (Das egoistische Gen). Darin analysiert Dawkins, welche Rolle Gene in der Evolution spielen. Gene sind demnach eine Art Basiseinheit, die den Körper letztlich nur als "Überlebensmaschine" nutzen. Analog zum "Gen" in der Biologie gebe es das "Mem" in der Kulturgeschichte. Dazu gehörten "Ideen, Melodien, Gedanken, Schlagworte, Kleidermoden, die Kunst, Töpfe zu machen oder Bögen zu bauen". Meme springen nach Dawkins' Ansicht auf dem Wege der Nachahmung "von Gehirn zu Gehirn".
Beim emeritierten Papst Benedikt XVI. fand Dawkins mit solchen Thesen wenig Gefallen. Das Buch "Das egoistische Gen" sei ein "klassisches Beispiel" für "Science Fiction", betonte der frühere Papst in einem im September 2013 bekanntgewordenen Schreiben. Kritiker werfen dem Naturalisten Dawkins außerdem vor, dass er sich an der manchmal naiven Bibelgläubigkeit strenggläubiger Christen abarbeite. Der Weite des theologischen Denkens der vergangenen Jahrhunderte werde er nicht gerecht.
Dawkins gehört zum Netzwerk "The Brights" (etwa "Die Gescheiten"), das sich seit 2003 insbesondere über das Internet formiert. "Wir alle haben eine naturalistische Weltanschauung, frei von übernatürlichen oder mystischen Elementen", beschreibt sich die Gruppe selbst. Der US-amerikanische Philosophieprofessor Daniel Dennet formulierte es in der "New York Times" noch drastischer: "Wir Brights glauben nicht an Geister oder Elfen oder den Osterhasen - oder Gott." Dawkins selbst rückt auch in seiner gerade veröffentlichten Autobiographie "Die Poesie der Naturwissenschaften" nicht von seinen Überzeugungen ab. Neue, spektakuläre Thesen wagt er aber auch nicht mehr.
Thierse: kämpferischer Atheismus zurückgekehrt
Seit einigen Jahren reagieren Vertreter von Politik und Kirche in Deutschland zunehmend hellhörig auf einen selbstbewusst auftretenden Atheismus. Schon 2010 schrieb der aus der DDR stammende SPD-Politiker und engagierte Katholik Wolfgang Thierse, dass "ein kämpferischer Atheismus zurückgekehrt" sei. Damals sorgte die bloße Ankündigung eines Kreises kirchenkritischer Sozialdemokraten, einen laizistischen Arbeitskreis in der SPD gründen zu wollen, für Aufsehen. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx stellte 2013 in einem "Welt"-Interview fest: "Partiell ist ein neuer, aggressiver Atheismus nicht zu leugnen." Es gebe "die Tendenz, Religion als etwas Vormodernes, Unruhestiftendes wahrzunehmen". Ziel solcher Bestrebungen sei es, "Religion aus dem öffentlichen Bereich herauszuhalten".
Genau das versucht auch Dawkins. Bei einem Weltkongress der Atheisten in Dublin verlangte er, jeden Einfluss der Kirchen aus der irischen Verfassung zu entfernen. Hinter solchen Forderungen steht letztlich ein breites Bündnis: Der Internationale Atheistenbund ("Atheists Alliance International") als Kongress-Veranstalter hat nach eigenen Angaben derzeit rund 30 Mitgliedsorganisationen weltweit.