Soll man, oder soll man nicht?
"Dann werde ich bedroht." Der andere Mann lebt dem Bericht zufolge mittlerweile in einem Berliner Kirchenasyl. "Als Christ bin ich im Asylbewerberheim nicht sicher", sagt er.
Nun werden Forderungen lauter, bei der Unterbringung von Flüchtlingen darauf zu achten, dass sich Angehörige bestimmter Nationalitäten - und eben auch Religionen - nicht zu sehr in die Quere kommen. Experten weisen darauf hin, dass die Schutzsuchenden eigene Konflikte mitbringen. Nicht nur zwischen Muslimen und Christen, sondern auch zwischen Schiiten und Sunniten oder zwischen verfeindeten Nationalitäten. Ob aber eine getrennte Unterbringung sinnvoll ist, wird kontrovers diskutiert.
Dafür ist etwa der Vizechef der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Radek. "Wir müssen alles tun, um weitere Gewaltausbrüche zu verhindern, eine getrennte Unterbringung auch nach den Religionen halte ich für absolut sinnvoll", sagte er der "Welt" (Montag). "Das kann hilfreich sein", sagte auch der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, Dietrich Munz, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Bonn. Einerseits, weil manche Flüchtlinge gerade wegen ihrer Religion vertrieben worden seien. Andererseits, weil eine ungestörte Ausübung von Religion stabilisierend wirken könne.
Manche sehen für Beleidigungen und Schlägereien ganz andere Ursachen. "Konflikte in Flüchtlingsunterkünften entstehen nicht in erster Linie durch die jeweilige Religionszugehörigkeit, sondern vielmehr dadurch, dass sehr viele Menschen auf engem Raum untergebracht sind", sagte Caritas-Präsident Peter Neher der KNA.
Flüchtlinge in kleineren Unterkünften wohnen lassen
Ähnlich äußerte sich die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke. "Wenn Tausende Menschen in einer nur für einige hundert Bewohner ausgelegten Unterkunft leben müssen, wird es immer zu Aggressionen kommen, selbst wenn alle Bewohner demselben Kulturkreis angehören." Neher und Jelpke forderten, Flüchtlinge nicht in Massen-, sondern in kleineren Unterkünften wohnen zu lassen.
Schlagzeilen machte im August ein Fall im thüringischen Suhl: In der Erstaufnahmestelle war es zu Krawallen mit Verletzten gekommen, nachdem ein Bewohner Seiten aus dem Koran gerissen haben soll. Enge und fehlende Privatsphäre erzeugten Stress, erklärte Munz. Aggressivität könne so gesteigert werden. Munz rät, beispielsweise Familien mit Trennwänden abzuschirmen. "Große Hallen sind ein Problem." Auch er plädiert für die Unterbringung von Flüchtlingen in kleineren Unterkünften. "Das ist die allerbeste Lösung."
Der Geschäftsführer der Malteser, Patrick Hofmacher, sagte der KNA, dass sich in den rund 30 betriebenen Betreuungseinrichtungen bundesweit seit Jahren die Praxis einer nach Nationalitäten und Kulturen, aber eher nicht religiös motivierten getrennten Unterbringung bewährt habe. Doch weil gerade so viele Flüchtlinge nach Deutschland kämen, sei das nicht immer möglich. Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums erklärte am Montag, dass die Unterbringung generell von den Landesgesetzen abhänge.
Kaum Rückzugsmöglichkeiten für Frauen
Doch Auseinandersetzungen oder Schlimmeres gibt es nicht nur in Religionsfragen: Helfer wie die Ordensschwester und Frauenrechtlerin Lea Ackermann kritisieren, dass Gefahren für Frauen und Kinder in Sammelunterkünften zu wenig berücksichtigt würden. Das bestätigt eine Studie des Deutschen Instituts für Menschenrechte vom August: In überfüllten Heimen gebe es kaum Rückzugsmöglichkeiten für Frauen, oftmals fehlten abschließbare Duschen und ausreichende Beleuchtung.
Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert einen besseren Schutz für Frauen in den Unterkünften. "Wir können das Ausmaß der Übergriffe auf Frauen nur erahnen. Gewaltausbrüche sind an der Tagesordnung" sagte der Bundesvorsitzende Rainer Wendt am Montag bei MDR Info.