Sonderausstellung zum 90. Geburtstag
Das Geburtshaus des emeritierten Papstes Benedikt XVI. in Marktl am Inn öffnet am Ostersonntag wieder seine Tore. An diesem 16. April feiert auch das frühere Kirchenoberhaupt seinen 90. Geburtstag. Geplant ist eine Sonderausstellung mit dem Titel "Noch nicht im vollen Licht", in der die Worte von Joseph Ratzinger zu Geburt und Taufe behandelt werden, wie es auf der Internetseite der Einrichtung heißt.
1927 war es ein Karsamstag, als Ratzinger als drittes Kind des Gendarmen Joseph Ratzinger und seiner Frau Maria zur Welt kam. Noch am selben Tag wurde er mit dem eben geweihten Osterwasser in der Pfarrkirche Sankt Oswald getauft.
Im elterlichen Schlafzimmer wird Joseph Alois Ratzinger am 16. April 1927 im oberbayerischen Marktl am Inn geboren. Die Familie lebt im ersten Stock des ehemaligen Amts- und Mauthauses. Im Erdgeschoss befindet sich zu dieser Zeit die Polizeistation, in der Vater Joseph als Stationskommandant arbeitet. Immer wieder wechselt die Familie in den nächsten Jahren den Wohnort, bis sie sich schließlich - nach der Pensionierung des Vaters 1937 - in einem Bauernhaus bei Traunstein niederlässt.
Joseph Alois (links) ist das dritte und jüngste Kind der Eheleute Joseph und Maria Ratzinger. Zwei Geschwister sind dem neuesten Familienmitglied bereits vorausgegangen, Maria (sechs Jahre älter) und Georg (drei Jahre älter). Georg Ratzinger entscheidet sich wie sein Bruder Joseph für den Priesterberuf. Von 1964 bis 1994 leitet er als Domkapellmeister die Regensburger Domspatzen. Die sechs Jahre ältere Maria begleitet Joseph auf seinem weiteren Lebensweg als späterer Bischof und Kardinal. Sie führt den Haushalt des jüngeren Bruders bis zu ihrem Tod im Jahr 1991.
Während seiner Schulzeit gilt Joseph als stiller, aber ehrgeiziger Musterschüler. Besonderes Interesse zeigt er schon in jungen Jahren an den altphilologischen Sprachen Latein und Griechisch. Gegen seine Überzeugungen wird Ratzinger mit 14 Jahren in die Hitlerjugend aufgenommen. Die Mitgliedschaft ist obligatorisch für einen Jungen seines Alters. Die im Elternhaus vermittelten christlichen Werte kollidieren mit der Ideologie der nationalsozialistischen Machthaber. Bis Ende des Zweiten Weltkriegs wird der junge Ratzinger als Flakhelfer und zur Errichtung von Panzersperren eingesetzt. Schon zu dieser Zeit steht sein Entschluss fest, Priester zu werden.
Im Januar 1946 tritt Joseph Ratzinger gemeinsam mit seinem älteren Bruder Georg in das Priesterseminar der Erzdiözese München und Freising ein. Nach einem fünfjährigen Theologiestudium werden sie 1951 geweiht. Zwei Jahre lang arbeitet Joseph als Kaplan in Münchener Pfarreien. Er gilt als der rationalere Pol der beiden Brüder. Während sich Georg zur Musik hingezogen fühlt, liegt Joseph Ratzingers Interesse in der wissenschaftlich-dogmatischen Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben.
1953 schließt Joseph Ratzinger seine Doktorarbeit ab und wird fünf Jahre später als Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie an die Universität zu Freising berufen. Zu diesem Zeitpunkt ist er erst 31 Jahre alt. Zuvor hatte es Widerstand gegen seine Habilitationsschrift gegeben. Der Vorwurf: "gefährliche Modernismustendenzen". Bis 1976 folgen Professuren in den Theologischen Fakultäten in Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg.
Der junge Theologe Ratzinger gilt als reformfreundlich. Während des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) macht er sich einen Namen als Berater und Redenschreiber des Kölner Kardinals Joseph Frings (im Bild ist zu sehen ist Kardinal Franz König) und wird zum offiziellen Konzilstheologen ernannt. Der bekannte Reformtheologe Hans Küng setzt sich wenige Jahre später erfolgreich dafür ein, Ratzinger an seine Tübinger Wirkungsstätte zu holen. Die anfängliche Begeisterung Ratzingers für das Konzil weicht allerdings einer zunehmenden Ernüchterung: Plötzlich stehen theologische Grundsätze zur Debatte, die für den Priester und Professor indiskutabel sind. Auch der laute und stark antireligiöse Ton der Studentenproteste an der Tübinger Universität passt nicht zum stillen und rationalen Charakter Ratzingers. Fortan tritt Ratzinger stärker als Bewahrer des Glaubens auf. Einige Jahre später kommt es auch zum Zerwürfnis mit Hans Küng.
Am 28. Mai 1977 ernennt Papst Paul VI. Joseph Ratzinger zum Erzbischof von München und Freising. Erst nach langen Überlegungen übernimmt der Theologe aus Leidenschaft das Amt, das ihn aus seiner Lehrtätigkeit herausreißt. Bereits einen Monat später wird Ratzinger zudem in das Kardinalskollegium aufgenommen.
Am 25. November 1981 ernennt Johannes Paul II. den bisherigen Erzbischof von München und Freising zum Präfekten der Katholischen Glaubenskongregation in Rom. Damit bekleidet Ratzinger (links) eines der höchsten Ämter in der katholischen Kirche. Zur Aufgabe des neuen Präfekten wird es, die Glaubens- und Sittenlehre in der katholischen Kirche zu fördern und zu schützen. In seinem Eintreten für die Beibehaltung des Zölibats und für das Festhalten an der katholischen Sexuallehre steht Ratzinger in einer theologischen Linie mit Papst Johannes Paul II. Ratzinger ist maßgeblich daran beteiligt, eine aktualisierte Form des katholischen Katechismus zu verfassen, die im Jahr 1992 veröffentlicht wird.
Joseph Ratzinger entwickelt sich als Kardinal zu einer weit über Deutschland hinaus bekannten Figur der Öffentlichkeit. Er gilt als eine Persönlichkeit, die polarisiert - innerhalb wie außerhalb der katholischen Kirche. Als Präfekt der Glaubenskongregation - ein Amt, das strukturell auf die Bewahrung von Bestehendem ausgelegt ist - kommt es mehrmals zum Konflikt mit reformfreudigen innerkirchlichen Strömungen: Mit den Befreiungstheologen um den Lateinamerikaner Leonardo Boff liefert sich Ratzinger heftige Dispute. In Deutschland setzt er das Verbot der katholischen Schwangerschaftsberatung durch. Gleichzeitig werden Ratzingers intellektuelles Genie und sein theologisches Fachwissen selbst von seinen schärfsten Kritikern anerkannt und respektiert.
Joseph Ratzinger gilt als enger Vertrauter des polnischen Papstes Johannes Paul II. (links). Bereits als Erzbischof empfängt er Karol Wojtyla in München, der ihn wenig später an die römische Kurie beruft. Die unterschiedlichen Stile des medienerfahrenen, volksnahen Papstes und des stillen, intellektuellen Theologen ergänzen sich gut. Hinzu kommt, dass beide eine ähnliche theologische Grundhaltung prägt. Mehrere Rücktrittsgesuche Ratzingers, zuletzt zu seinem 75. Geburtstag, lehnt der polnische Papst allerdings ab. Er kann und will auf Ratzinger an seiner Seite nicht verzichten. Als Dekan des Kardinalkollegiums leitet Ratzinger 2005 die Beisetzungsfeierlichkeiten nach dem Tod von Johannes Paul II.
Am 19. April steigt nach nur 26 Stunden weißer Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle im Vatikan. Bereits im vierten Wahlgang wird Joseph Ratzinger zum 265. Papst der katholischen Kirche gewählt - dem ersten Deutschen auf dem Papstthron seit Hadrian VI. (1522-1523). Für sein Pontifikat wählt der nunmehr 78-Jährige den Namen Benedikt XVI. - als Anlehnung an den Ordensgründer der Benediktiner und an Papst Benedikt XV., der als "Friedenspapst" im Ersten Weltkrieg bekannt wurde.
Wenige Monate nach seinem Amtsantritt besucht der neue Papst Benedikt XVI. seine Heimat - ausgerechnet ein deutscher Papst feiert mit Hunderttauenden jungen Leuten den lange geplanten Weltjugendtag in Köln. Die Stimmung ist ausgelassen - so wie bei diesen Pilgern, die die Bayernfahne schwingen.
Während seiner Amtszeit veröffentlicht Benedikt XVI. drei Enzykliken: Deus caritas est ("Gott ist Liebe", 2006), Spe salvi ("Auf Hoffnung hin [sind wir] gerettet“, 2007) und die Sozialenzyklika Caritas in veritate ("Die Liebe in der Wahrheit" 2009). Vielbeachtet ist auch seine in den Jahren 2007 bis 2012 veröffentlichte Trilogie über Jesus von Nazareth.
Während einer Gastvorlesung an seiner ehemaligen Universität Regensburg am 12. September 2006 zitiert der Papst den spätmittelalterlichen Kaiser Manuel II. Im Zentrum der Textpassage steht die Rolle der Gewalt im Islam. In weiten Teilen der islamischen Welt wird das Zitat als persönliche Meinung des katholischen Papstes aufgefasst und stark kritisiert. Benedikts anschließende Auslandsreise in die Türkei wird dadurch zu einer diplomatischen Herausforderung. Dennoch gelingt es ihm, die Wogen wieder zu glätten. Als zweiter katholischer Papst überhaupt besucht er im November 2006 die Blaue Moschee in Istanbul. Dass beide Seiten aufeinander zugehen wollen, zeigt die zwei Jahre später veröffentlichte, gemeinsame Erklärung von iranischen Muslimen und dem "Heiligen Stuhl" zum Thema "Glaube und Vernunft im Christentum und Islam".
Im Mai 2009 besucht der deutsche Papst das Heilige Land und betet an der Klagemauer in Jerusalem.
Während seiner Zeit als Papst ist Benedikt XVI. stark um innerkirchliche Einheit und eine Aussöhnung mit der traditionalistischen Piusbruderschaft bemüht. Deren Bischöfe waren von Papst Johannes Paul II. exkommuniziert worden, nachdem sie zentrale Bestimmungen des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht anerkannt hatten. Benedikt hebt die Exkommunizierung auf und erlaubt in Ausnahmefällen die Messfeier nach dem vorkonziliaren tridentinischen Ritus. Die Piusbrüder hingegen reagieren wenig kompromissbereit und legen es auf eine Machtprobe mit dem Vatikan an: Zwar distanzieren sie sich von den antisemitischen Aussagen ihres Bischofs Richard Williamson, vollziehen allerdings weiterhin Priesterweihen, die nach dem Kirchenrecht als illegal gelten.
Engagiert sucht der Papst den Dialog mit der christlich-orthodoxen Kirche, die seit dem morgenländischen Schisma von 1054 von der römisch-katholischen getrennt ist. Als Geste der Annäherung und Versöhnung verzichtet Benedikt bei seinem Amtsantritt als erster Papst seit dem fünften Jahrhundert auf den Ehrentitel "Patriarch des Abendlandes". Traditionell wird die Bezeichnung "Patriarch" sonst nur in der orthodoxen Kirche benutzt. Am 28. Juni 2008 eröffnen Benedikt XVI. und der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel (rechts) gemeinsam das "Paulus-Jahr". Das Jahr ehrt den bedeutenden Apostel Paulus von Tarsus, der zu urchristlicher Zeit die Missionierung von Nicht-Juden im östlichen Mittelmeerraum vorantrieb.
Als Papst ist Benedikt XVI. Oberhaupt des 0,44 Quadratkilometer kleinen Staates Vatikanstadt. Dieser Staat wird auf dem internationalen Parkett vom "Heiligen Stuhl", also vom Papst als geistigen Führer der römisch-katholischen Kirche, repräsentiert. In dieser Funktion empfängt Benedikt Regierungschefs und Repräsentanten aus aller Welt. Auf seinen apostolischen Auslandsreisen besucht er unter anderem mehrmals den afrikanischen Kontinent, die Vereinigten Staaten, Lateinamerika sowie das Heilige Land. Mit den Mitteln der Diplomatie vertritt der Pontifex die Interessen der katholischen Kirche und macht sich für die Einhaltung christlicher Werte auf politischer Ebene stark. Benedikt setzt sich während seines Pontifikats für den Schutz ungeborenen Lebens ein und geißelt die Auswüchse des Kapitalismus. Die Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft mahnt er zu einer radikalen ökologischen Wende und zu einem erneuerten "Bund zwischen Mensch und Umwelt".
Nach Köln 2005 und Bayern 2006 kommt Benedikt XVI. im Herbst 2011 zum dritten Mal in sein Heimatland. Vom 22. bis 25. September besucht das Kirchenoberhaupt Berlin, Erfurt und Freiburg. In der Bundeshauptstadt stehen neben einem großen Gottesdienst im Berliner Olympiastadion vor allem politische Themen auf dem Programm: Neben Treffen mit dem damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff und Bundeskanzlerin Angela Merkel hält der Papst auch eine viel beachtete Rede vor dem Deutschen Bundestag. In Erfurt, einer der Wirkungsstätten des Reformators Martin Luther, trifft Benedikt XVI. mit Vertretern der evangelischen Kirche zusammen. Bei dem Gespräch im ehemaligen Augustinerkloster geht es um Gegenwart und Zukunft der Ökumene. Von Erfurt aus besucht der Papst auch das katholisch geprägte Eichsfeld und feiert im Wallfahrtsort Etzelsbach eine Marienvesper. In Freiburg feiert Benedikt eine Gebetsvigil mit Jugendlichen sowie eine große Messe auf dem City-Flughafen der Stadt. Zum Abschluss hält er zudem eine mit Spannung erwartete Rede, in der er sich für eine "Entweltlichung" der Kirche ausspricht.
Es war ein Paukenschlag, den manche möglicherweise zunächst mit einem Faschingsscherz verwechselten: Am 11. Februar 2013, am Rosenmontag, gab Benedikt XVI. den überrumpelten Kardinälen in einem Konsortium bekannt, er werde zu Ende des Monats zurücktreten. Damit stellte er nicht nur den Vatikan vor große organisatorische Herausforderungen, sondern schrieb auch Kirchengeschichte. Der Deutsche war nach Coelestin V. im Jahr 1294 der erste Papst, der freiwillig auf sein Amt verzichtete.
Am 28. Februar 2013 verlässt Benedikt XVI. den Vatikan und fliegt zu seiner Emeritierung nach Castelgandolfo.
Einen knappen Monat später treffen sich erstmals in der Kirchengeschichte zwei Päpste: Der frisch gewählte Franziskus besucht Benedikt in Castel Gandolfo.
In den Jahren nach dem Rücktritt berichtet sein Privatsekretär Georg Gänswein immer wieder, Benedikt XVI. sei geistig rege und topfit. Nur das Laufen bereite dem emeritierten Papst zunehmend Probleme.
Im Mai 2013 bezieht Benedikt XVI. seinen Alterssitz und neues Zuhause: Das Kloster Mater Ecclesiae im Vatikan.
Einer der seltenen öffentlichen Aufritte Benedikt XVI. nach dessen Emeritierung: Papst Franziskus begrüßt Benedikt 2015 im Heiligen Jahr zur Öffnung der Heiligen Pforte am Petersdom.
Die Besucher des Geburtshauses erwartet zudem eine Schau mit Werken des Münchner Künstlers Josef Henselmann. Sie sollen laut Ankündigung zu einer persönlichen Auseinandersetzung mit der Frage nach dem eigenen "Woher" und "Wohin" einladen. Der 1963 geborene Henselmann studierte Bildhauerei an der Akademie der bildenden Künste in München und in Carrara. Sein Diplom als Meisterschüler bestand er mit Auszeichnung. Im Atelier in New York City arbeitete der Künstler im Jahr 2000. Von 2003 bis 2012 war er als Professor an der Universität in Bangalore tätig. Von ihm stammt unter anderem das Relief von Benedikt XVI. im Münchner Liebfrauendom, auf dem der bayerische Papst die Kirchenbesucher segnend grüßt. (KNA)