Spätabtreibung wegen Herzfehler?
Astrid Lorenz ist eine Marke. Wo immer die erfolgreiche Komikerin die Bühne betritt, weiß das Publikum, was es zu erwarten hat: Unverblümtes über Frauen, Männer und die Welt, präsentiert mit echter Berliner Schnauze und Selbstironie. Und wenn sich die Umstände in Astrids Leben ändern, wird das einfach ins Bühnenprogramm integriert. So lässt sich ihre zweite Schwangerschaft für Scherze über den wachsenden Bauch, überforderte Väter und sogar ein wenig kritische Gegenwartsanalyse nutzen. "Schwanger? Das versteht heute doch gar keiner mehr", heißt es dann etwa, oder auch: "Die Leute gucken mich an, als ob ich sagen würde, dass ich nach Nordkorea ziehe oder zum IS gehe!" Leicht hingeworfen klingt es, wenn Lorenz das sagt, doch schon in diesen frühen Momenten in "24 Wochen" ist eine tiefsitzende Verunsicherung zu spüren: Ihr Promi-Status bringt es mit sich, dass ihr Körper nicht ihr allein gehört – die Öffentlichkeit fordert ihren Anteil, auch und gerade an der Schwangerschaft.
Unterschiedliche Ansichten der beiden Eltern
Regisseurin Anne Zohra Berrached braucht nur kurze Zeit, um die Hauptfigur mitsamt ihrer Umgebung zu umreißen: der treusorgende Ehemann und Manager Markus, beider neunjährige Tochter Nele, Astrids etwas chaotische, aber hilfsbereite Mutter. Alle sind voller Vorfreude auf das Baby, sodass der Schock enorm ist, als eine Routineuntersuchung im sechsten Monat ergibt, dass das Kind mit Down-Syndrom geboren werden wird. Unsicherheit macht sich bei den Eltern breit, doch sie können sich noch einmal fangen. Ratschläge und Hilfsangebote für den Umgang mit einem behinderten Kind finden sie zuhauf, und was sie an ablehnenden Kommentaren hören, kommt ihnen reichlich menschenverachtend vor. Schwerer tun sich Astrid und Markus damit, dass ihr Baby voraussichtlich auch mit einem Herzfehler zur Welt kommen wird. Eine Heilung schließen die Ärzte aus, dem Kind stehen etliche Operationen bevor, deren Erfolg ungewiss ist. In dieser Situation driften die werdenden Eltern erstmals in ihren Ansichten auseinander: Für Astrid ist die ins Spiel gebrachte Idee einer Spätabtreibung durchaus eine Option, während Markus sich entschieden dagegen ausspricht. Sein moralisches Empfinden rebelliert gegen die Vorstellung, auf diese Weise über das Überleben eines anderen Menschen zu entscheiden.
Exempelhaft rollt Anne Zohra Berrached dieses Dilemma mit seinen ethischen und gesundheitlichen Implikationen auf, erkennbar darauf bedacht, sie nicht gegeneinander auszuspielen. Die 1982 geborene Regisseurin setzt erneut auf die Stilmittel, die sie schon in ihrem Debüt "Zwei Mütter" (2013) genutzt hat: Sorgfältige Recherchen, die Auftritte echter Ärzte, Psychologen und Hebammen im Film, ein von professionellen Schauspielern gespieltes Paar, das diskussionsfreudig alle Argumente und Möglichkeiten miteinander verhandelt. Insbesondere die der Spätabtreibung auch nach der 24. Schwangerschaftswoche, bei der das ungeborene Kind durch eine Spritze getötet wird: für die Mutter risikoarm, (in Deutschland) juristisch abgesichert, in moralischer Hinsicht aber auch unter Medizinern höchst umstritten.
Keine Auflösung der Gewissensfrage
Eine Auflösung dieser Gewissensfrage darf man von "24 Wochen" nicht erwarten. Berracheds erklärte Absicht ist eine offene Debatte über die Praxis der Spätabtreibung, kein Bekenntnis zu einer Position. Leicht macht sie es sich also nicht, und wie konsequent sie es ihren Figuren verweigert, eine für sie konforme Lösung zu finden – neben allem anderen ist auch noch Astrids Prominenz ein bedeutsamer Faktor –, ist durchaus beachtlich. Gleichwohl lässt sich über die schematische Ausrichtung des Drehbuchs nicht hinwegsehen, in dem jede Szene und Dialogzeile sich dem Thema des Films unterordnen. Das macht "24 Wochen" recht vorhersehbar, sobald man die Konstruktion einmal durchschaut hat, und den Disput damit ziemlich spannungsarm. Zumal die Akribie des Drehbuchs keine Entsprechung in der Inszenierung findet: Die Ästhetik bleibt auf Fernsehniveau, und selbst so patente Darsteller wie Julia Jentsch und Bjarne Mädel können ihre Figuren nicht immer von ihren papierenen Ursprüngen befreien. So anerkennenswert die intime Nähe und gründliche Recherche des Films sind – etwas mehr formaler Wagemut hätte ihm definitiv nicht geschadet.