Sternschnuppen in Rom?
Frage: Ist das Wetter zurzeit in Rom gut genug, um Sternschnuppen zu sehen?
D'Souza:. Für die wissenschaftliche Beobachtung ist der Nachthimmel in Rom nicht so günstig, es ist einfach viel zu hell hier. Aus diesem Grund hat die Vatikanische Sternwarte seit mehr als 20 Jahren ein eigenes Fernrohr in Arizona aufgestellt. Von dort aus beobachten wir den nächtlichen Himmel. In der Sternwarte in Rom bearbeiten wir dann die Daten und werten sie aus. Das ist heutzutage in vielen astronomischen Forschungsinstituten der Welt ein üblicher Vorgang. Die alten Fernrohre an der Vatikanischen Sternwarte haben heute nur noch historische Bedeutung.
Frage: Das heißt, Sie blicken in Rom gar nicht zum Himmel, um dieses Phänomen zu sehen?
D'Souza: Es gibt das ganze Jahr über so viele Sternschnuppen, egal ob ich in den Himmel schaue oder nicht. Wir werden den Perseidenstrom wissenschaftlich nicht beobachten, denn für uns ist das nichts Besonderes mehr. Es ist schön, aber nicht neu. Das kommt immer wieder vor und wir wissen, warum das passiert. Wenn die Erdbahn die Bahn des Kometen kreuzt, dann ist es soweit und es regnet Sternschnuppen. Natürlich ist es im August besonders interessant, weil es ein deutliches Maximum an Sternschnuppen gibt. Aber in Rom würde ich davon sowieso nicht viel sehen.
Frage: Manche verbinden mit den Sternschnuppen die Legende des heiligen Laurentius. Was halten Sie davon?
D'Souza: Das ist für mich Mythologie. Menschen waren seit jeher interessiert am Himmel und an astronomischen Phänomenen. Über die schönen Phänomene dort oben wunderte man sich bisweilen und hat dann versucht sie zu erklären, auch um die Welt so besser verstehen zu können. Manchmal haben die Menschen die Zeichen des Himmels schlichtweg nicht verstanden und falsch gedeutet. Aber wer in den Himmel blickt, blickt gleichzeitig über sich hinaus und öffnet sich damit dem Transzendenten und Mystischen. Der Mensch kommt so in Kontakt mit dem Ewigen. Verständlich, dass für astronomische Phänomene schon immer auch religiöse Vorstellungen herhalten mussten. Das Spannende für mich ist aber, dass Phänomene, die außerhalb des Menschen liegen, ihn auch mit seinem Innersten in Verbindung bringen können. Ich zitiere da gerne den Theologen Karl Rahner, der gesagt hat, dass "da draußen das Eigentliche der Theologie liege". Also innerlich kann durchaus etwas in mir in Bewegung kommen, wenn ich in den Himmel blicke. Und dann beginne ich Fragen zu stellen und Antworten zu suchen.
Frage: Sie sind Priester und Astronom. Welche Fragen stellen Sie sich, wenn Sie in den Himmel blicken?
D"Souza: Ganz ehrlich? Beim Blick in den Himmel denke ich sehr wissenschaftlich und weniger romantisch. Ich versuche zu verstehen, was ich von neuen Sternen lernen kann. Ich suche zum Beispiel nach neuen Galaxien, das sind Milliarden von Sternen zusammengefasst an einem Ort im Universum. Und so ein Phänomen versuche ich dann durch Beobachtung auszuwerten. Aber als religiöser Mensch weiß ich auch, dass jeder Mensch, der in den Himmel schaut, auch seine ganz eigenen Fragen dabei hat. Das können Fragen nach der Zukunft sein oder nach dem Sinn des Lebens oder die Frage nach Gott. Es gibt so viele Fragen, die da entstehen können. Die Sterne sind so weit weg und so groß, sie stellen mich und mein Leben in einen großen Zusammenhang. Als Jesuit ist mir der heilige Ignatius von Loyola hierbei ein Vorbild. Er hat gesagt, wenn wir Gott in der Welt finden wollen, sollten wir zuerst versuchen die Welt zu verstehen. Die Naturwissenschaft ist für mich ein Weg dazu. Ignatius meinte, je mehr wir die Welt verstehen, desto besser können wir Gott für seine Schöpfung loben.
Frage: Das heißt, man entdeckt Spuren von Gott im Universum?
D'Souza: Ich würde sagen, man sieht Gott nicht durch ein Fernrohr, aber man sieht seine Schöpfung durch ein Fernrohr. Und die ist sehr bewundernswert. Mir bleibt oft der Mund offen stehen, vor lauter Erstaunen.
Frage: Was haben Sie denn da oben schon entdeckt, was Sie bestaunen?
D'Souza: Wenn ich in die Sterne schaue und Glück habe, erkenne ich die Milchstraße und dann bin ich selig und mit mir im Frieden. Dann weiß ich, alles wird wieder gut werden.
Frage: Wie meinen Sie das?
D'Souza: Wenn ich daran denke, wie viele Jahrmillionen die Sterne von mir und meinem Leben entfernt sind, dann komme ich mir winzig vor. Das Universum ist so unendlich groß, es liegen riesige Entfernungen zwischen den Sternen, und dazwischen gibt es so viel Platz. All das wissenschaftlich und mathematisch zu verstehen, dazu sind mein Kopf und meine Seele zu klein. Was ich für mich gelernt habe: Mein Leben ist so kurz und meine Sorgen sind kleiner als jede Sternschnuppe. Das tröstet mich unglaublich.
Frage: Glauben Sie eigentlich an den Urknall?
D'Souza: Ich habe keinen Zweifel daran. Übrigens: Die erste Person, die diese Theorie aufgeworfen hat, war ein katholischer Priester und Astrophysiker. Der belgische Jesuit Pater Georges Lemaitre kannte Einstein persönlich und konnte beweisen, dass sich vom Ur-Atom ausgehend alles voneinander wegbewegt und dass dies von einem sogenannten Urknall ausgelöst wurde. 1927 dann veröffentlichte Lemaitre seine umfassende Theorie zum Urknall, die auch kirchlich anerkannt wurde. Einen Widerspruch zur biblischen Schöpfungsgeschichte Gottes sehe ich darin keineswegs. Gott hat die Welt aus dem Nichts erschaffen, das klingt für mich plausibel. Der Urknall war sozusagen der Anfang der göttlichen Schöpfung.
Frage: Es gibt den Brauch, sich bei einer Sternschnuppe etwas zu wünschen. Ihr Wunsch?
D'Souza: Also wenn ich eine Sternschnuppe am Nachthimmel von Rom zufällig sehen würde, dann würde ich mir Frieden für unsere kleine Welt wünschen. Das ist doch ein guter Wunsch, oder?