Betroffene können sich bis Ende 2019 anmelden

Stiftung soll Missbrauchs-Opfern helfen

Veröffentlicht am 01.12.2016 um 17:26 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN
Missbrauch

Bonn/Lübeck  ‐ Betroffene können sich bis Ende 2019 anmelden: Die Stiftung "Anerkennung und Hilfe" soll Kindern und Jugendlichen, die in Behindertenhilfe oder Psychiatrie Opfer von Missbrauch geworden sind, helfen.

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Bund, Länder und Kirchen haben für die Stiftung "Anerkennung und Hilfe" eine Gründungsurkunde unterzeichnet. Die Stiftung soll Leid und Unrecht anerkennen, das Kinder und Jugendliche von 1949 bis 1975 in der Bundesrepublik und von 1949 bis 1990 in der DDR in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Psychiatrie erfahren haben, wie die Deutsche Bischofskonferenz am Donnerstag in Bonn mitteilte. Zudem sind finanzielle Entschädigungen geplant. Die Stiftung mit fünfjähriger Laufzeit wird den Angaben zufolge zum 1. Januar 2017 errichtet. Vertreter der beiden großen Kirchen baten Betroffene um Entschuldigung und äußerten ihr Bedauern.

Betroffene können sich den Angaben zufolge bis Ende 2019 in den Ländern bei regionalen qualifizierten Anlauf- und Beratungsstellen anmelden. Neben einer individuellen und öffentlichen Anerkennung des Erlebten sei eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschehnisse geplant. Auch sollen Betroffene, die unter Folgewirkungen leiden, eine einmalige pauschale Geldleistung von 9.000 Euro erhalten. Zudem wird in bestimmten Fällen eine einmalige Rentenersatzleistung von bis zu 5.000 Euro gezahlt. Die Unterzeichnung der Vereinbarung fand in Lübeck am Rande der Arbeits- und Sozialministerkonferenz statt.

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Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße erklärte, er bedauere die ausgeübte "physische, psychische und sexuelle Gewalt" zutiefst und bitte die Betroffenen um Entschuldigung. Kirchliche Organisationen und Verantwortliche hätten "dem christlichen Auftrag, Menschen mit Behinderung und psychiatrisch Erkrankte in ihrer Entwicklung zu fördern und ihre Würde zu schützen, nicht entsprochen". Er hoffe, "dass die Betroffenen durch die Anerkennung und die Hilfen ihren weiteren Lebensweg etwas unbeschwerter und mit einem größeren inneren Frieden gehen können".

Das Geschehene einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machen

Die stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Annette Kurschus, sagte: "Mit Scham sehen Evangelische Kirche und Diakonie auf die Verhältnisse und die Verantwortung auch kirchlicher Einrichtungen für die Ereignisse in dieser Zeit." Sie bitte um Vergebung. "Es ist uns wichtig, dass nun endlich auch für den Kreis dieser Betroffenen ein Hilfesystem entsteht, um den heute noch vorhandenen Folgewirkungen zu begegnen."

Getragen wird die neue Stiftung vom Bundessozialministerium. "Die Betroffenen haben lange beharrlich dafür gekämpft, die Stiftung zu errichten", so Ministerin Andrea Nahles (SPD). "Wir werden das Geschehene nun auch endlich einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machen können." Der Unterzeichnung der Gründungsurkunde seien mehr als dreijährige Verhandlungen vorausgegangen. Schleswig-Holsteins Sozialministerin Kristin Alheit (SPD) betonte als Vorsitzende der Arbeits- und Sozialministerkonferenz, dass Betroffene in den weiteren Aufarbeitungsprozess eng einbezogen werden sollten. Beleuchtet werden müsse auch das Thema Medikamentenversuche. Auch sie äußerte ihr Bedauern über das Geschehene. (KNA)