Studie: Konvertiten werden am häufigsten Opfer
In der Studie dokumentieren die Menschenrechtler 231 Fälle aus Deutschland, die von Diskriminierung über Körperverletzung bis hin zu sexuellen Übergriffen und Todesdrohungen gehen. Dies sei nur "die Spitze des Eisbergs", so Rode. Er forderte die Politik zum Handeln auf. Die 231 befragten Flüchtlinge kamen großenteils aus dem Irak, Afghanistan und Syrien; 199 waren Konvertiten. 204 gaben an, von anderen Flüchtlinge aus religiösen Gründen angegriffen worden zu sein. Rund die Hälfte beklagte demnach Verfolgung durch das Wachpersonal, in Berlin waren es zwei Drittel. Drei von vier Befragten berichteten von mehrfachen Übergriffen. Am häufigsten waren laut Studie Beleidigungen (96 Personen), gefolgt von Körperverletzungen (86 Personen). 73 Personen beklagten Todesdrohungen gegen sich oder ihre Familien.
Der evangelische Berliner Pfarrer Gottfried Martens, der sich in der Flüchtlingshilfe engagiert, äußerte sich "fassungslos, dass man weiter am Paradigma des Einzelfalles festhält". Nach Einschätzung von Volker Baumann von der Aktion für verfolgte Christen und Notleidende (AVC) werden in Deutschland bis zu 40.000 Flüchtlinge aufgrund ihrer religiösen Überzeugung drangsaliert.
Linktipp: "Sie flehen mich an, sie herauszuholen"
Gottfried Martens ist Pfarrer in Berlin. Zu seiner Gemeinde zählen mittlerweile rund 1.200 christliche Flüchtlinge, die ihm immer wieder von Übergriffen durch Muslime berichten. Für Martens ist klar: Das darf nicht länger verschwiegen werden.Der syrische Flüchtling Fadi S. äußerte sich bei der Pressekonferenz "schockiert", dass er vor muslimischen Fundamentalisten geflohen sei und nun im Flüchtlingsheim wieder auf sie treffe. Der Iraner Ramin F. berichtete von Provokationen, Schikanen und Todesdrohungen in einer Brandenburger Unterkunft.
Nach Einschätzung der Organisationen ist der Rechtsstaat mit der Situation überfordert. Flüchtlinge könnten nur Anzeige erstatten, wenn sie sofort aus dem Heimen geholt würden, so Martens. Auf Anzeigen folgten zudem meist Gegenanzeigen. Eine klare Beweisaufnahme sei kaum möglich. Die allermeisten Flüchtling verzichteten auf eine Anzeige, um ihre Situation nicht zu verschlimmern. Die Helfer verlangten, die Religionszugehörigkeit von Flüchtlingen solle bei der Erstaufnahme registriert werden. Der Anteil von Christen oder anderen religiösen Minderheiten solle in Heimen ebenso groß sein wie jener von Muslimen. Für Opfer von Verfolgung und Diskriminierung verlangten sie eine getrennte Unterbringung.
Themenseite: Auf der Flucht
Die Flüchtlingskrise fordert Staat, Gesellschaft und Kirchen mit ganzer Kraft heraus. Auch die katholische Kirche in Deutschland engagiert sich umfangreich in der Flüchtlingsarbeit. Weitere Informationen dazu auf der Themenseite "Auf der Flucht".Karl Hafen von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte forderte mehr nichtmuslimische Übersetzer. Ferner solle der Anteil an nichtmuslimischem Wachpersonal erhöht werden, so die Organisationen weiter. Mitarbeiter und Sicherheitspersonal sollten regelmäßig geschult werden. Schließlich sprachen sie sich für Vertrauenspersonen christlichen Glaubens aus, an die sich Betroffene wenden könnten.
Experten warnen vor Spaltung der Gesellschaft
Angesichts mancher Ängste vor dem Islam warnen Extremismus-Experten zugleich vor einer Spaltung der Gesellschaft. Der Präventionsexperte des Bundeskriminalamts Baden-Württemberg, Frank Buchheit, erklärte am Montag in Bad Boll, Terror habe nichts mit dem Islam zu tun, sondern sei Kriminalität. Es müsse stärker zwischen Muslimen und Islamisten unterschieden werden, um Religion und Terrorismus zu trennen. Zugleich brauche es jedoch bessere Vorbeugemaßnahmen vor Extremismus, so Buchheit. Besonders "religiöse Analphabeten" schließen sich nach seiner Auffassung dem Salafismus an. Ein guter Ansatz sei der Ausbau des islamischen Religionsunterrichts in Deutschland.
Die Salafismus-Expertin Claudia Dantschke vom Berliner Zentrum Demokratische Kultur verwies darauf, dass es derzeit rund 1.100 militante Salafisten in Deutschland gebe. Bundesweit lebten jedoch rund 4,6 Millionen Muslime, also rund fünf Prozent der Bevölkerung. Auch bei der Radikalisierung müsse unterschieden werden, so Dantschke. "Es radikalisieren sich Jugendliche." Es gebe eine radikale Jugendkultur als Teil und Produkt der westlichen Popkultur, den sogenannten Pop-Dschihad. Darin gehe es kaum noch um Religion, sondern vor allem um Männlichkeit und Gruppenzugehörigkeit. Dantschke und Buchheit äußerten sich auf einer Tagung der Evangelischen Akademie Bad Boll zum Thema "Junge Muslime zwischen Extremismus und Dialog". (kim/KNA)