Vor Geberkonferenz kritisieren Hilfsorganisationen die geringe Zahlungsbereitschaft

Syrien: Geber zu Sparsam

Veröffentlicht am 03.02.2016 um 00:01 Uhr – Von Johanna Heckeley – Lesedauer: 
Ein verwundetes Syrisches Mädchen sitzt am Fenster in einem Bus mit Flüchtlingen.
Bild: © KNA
Hilfsorganisationen

London/Freiburg ‐ Drei Geberkonferenzen gab es bisher für Syrien, viele der zugesagten Hilfen sind aber gar nicht geflossen. Vor der vierten Konferenz ist Caritas international pessimistisch und Oxfam kritisiert: Reiche Länder stehlen sich aus der Verantwortung.

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Zwei Wünsche hat Christoph Klitsch-Ott, Leiter des Referats Afrika/Naher Osten der Hilfsorganisation Caritas international, an die Geberkonferenz: "Zunächst, dass genügend Geld zusammenkommt für die Grundversorgung, also für Nahrungsmittel, Unterkunft und medizinische Versorgung." Außerdem müsse in die Bildung der Flüchtlinge investiert werden: "Die Leute haben wenig Rückkehrperspektive." Viele Schulkinder in den Flüchtlingslagern im Libanon oder der Türkei gingen seit Jahren nicht mehr in die Schule; "eine verlorene Generation." Diese Perspektivlosigkeit habe mit dazu geführt, dass eine große Zahl Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sei.

"Viele Flüchtlinge können auf Jahre hinaus nicht in ihre Heimat zurückkehren. Wir brauchen daher auch langfristige Hilfe für die enormen Anstrengungen des Wiederaufbaus." Doch dafür muss in Syrien erst einmal der Krieg aufhören. Christoph Klitsch-Ott ist pessimistisch. "Bei der Friedenskonferenz in Genf sitzen bei Weitem nicht alle Parteien am Tisch." Daher erwartet er nicht, dass es in den nächsten zwölf Monaten zu einem Ergebnis kommt, "wenn nicht die UN-Blauhelme zur Friedenssicherung eingesetzt werden."

Linktipp: Friedensinitiative

Schon vor Beginn des neuen Jahres haben das Hilfswerk Caritas internationales und der Vatikan zu einer politischen Lösung des Syrien-Krieges aufgerufen.

"Ein Wunder, dass das Land noch nicht explodiert ist"

Hilfsorganisationen könnten daher zurzeit nur dafür sorgen, dass die Situation "humanitär erträglich" sei, aber es drängt: "Im Libanon ist jeder Vierte ein Flüchtling. Es ist ein Wunder, dass das Land noch nicht explodiert ist", meint Klitsch-Ott. Die Nachbarländer müssten unterstützt werden, damit sie durch den Flüchtlingsstrom nicht auch im Chaos versinken. "Die Geberkonferenzen haben in der Vergangenheit nicht dazu geführt, dass die humanitären Bedürfnisse gedeckt worden sind." Die Konferenz am Donnerstag in London ist bereits die Vierte für Syrien.

Aber längst nicht alle in der Vergangenheit zugesagten Hilfsgelder sind auch geflossen: Für die reine Grundversorgung eines Flüchtlings in den syrischen Nachbarländern wurde ursprünglich ein Beitrag von 72 Dollar (rund 66 Euro) pro Person und Monat festgelegt. "Aufgrund von Geldmangel ist das inzwischen gekürzt worden und liegt jetzt bei etwa 21 Dollar (rund 19 Euro)." Das liegt auch an wirtschaftlichen Auswirkungen: "Arabische Staaten wollten die großen Hilfsprogramme der Vereinten Nationen unterstützen. Doch bei den extrem niedrigen Ölpreisen sind sie selbst in einer finanziellen Schieflage."

Die größte humanitäre Krise

Derzeit leben 7,5 Millionen Syrer als Binnenvertriebene auf der Flucht in ihrer Heimat, 4,6 Millionen sind in die syrischen Nachbarländer Jordanien, Libanon, Irak sowie die Türkei geflohen. Rund 700.000 Syrer halten sich in der Europäischen Union auf.

Die Sparsamkeit bei den Geberländern hat mit Blick auf die Konferenz auch Oxfam kritisiert: Die Hauptlast der Krise trügen arme Länder, während sich viele reiche Länder aus der Verantwortung stehlen würden, schreibt die Hilfsorganisation in einem am Montag in Berlin veröffentlichten Bericht. Demnach reichen die zur Verfügung gestellten Gelder und Aufnahmeplätze für Geflüchtete bei weitem nicht aus, um der wachsenden Not in Syrien, Libanon und Jordanien zu begegnen.

Laut Bericht wurden die Hilfsaufrufe der Vereinten Nationen von insgesamt 8,9 Milliarden Dollar für Syrien und dessen Nachbarländer im vergangenen Jahr nur etwa zur Hälfte gedeckt. Reiche Geberstaaten wie Katar, Saudi-Arabien, Japan und die USA hätten finanziell nur einen Bruchteil dessen beigetragen, was ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft entspricht, beklagte Oxfam. Auch Russland habe mit 6,9 Millionen Dollar gerade mal ein Prozent des errechneten Beitrags gezahlt.

Bild: ©Caritas international

Jordanien: Der kleine Junge und seine 17-jährige Mutter fanden Zuflucht in einem 10 Quadratmeter großen Keller.

Sichere Arbeitsbedingungen für Helfer gefordert

Zu den positiven Ausnahmen zählt Oxfam etwa Deutschland, Norwegen, Dänemark, die Schweiz, die Niederlande und Kuwait. Deutschland zum Beispiel habe mit 680 Millionen Dollar seinen Beitrag zu 152 Prozent erfüllt. Kleinere Länder wie Jordanien und Libanon hätten dagegen etwa das 60-fache dessen geleistet, was ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft angemessen wäre. Dies übersteige die Hilfsbereitschaft der USA, Frankreichs oder auch Deutschlands bei weitem, erklärte Oxfam.

Ebenfalls am Montag veröffentlichte die "Aktion Deutschland Hilft", ein Zusammenschluss von 24 Hilfsorganisationen, ihre Forderungen – unter anderem die Einhaltung des internationalen Völkerrechts, der sichere Zugang zu Hilfsmaßnahmen für alle Betroffenen und sicherere Arbeitsbedingungen für lokale und internationale Helfer. Gemäß internationalem Völkerrecht müssten alle Angriffe auf Zivilisten und zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser und Schulen beendet werden. Außerdem dürften nicht länger Essensvorräte bei der Einfuhr kontrolliert oder gar zerstört oder Preise künstlich in die Höhe getrieben werden. Allen Helfern müsse es darüber hinaus ermöglicht werden, die Menschen in Not zu erreichen, ohne ihr eigenes Leben zu gefährden, in Gefangenschaft oder zwischen die Fronten zu geraten. (mit Material von KNA)

Linktipp: Hilfe im Krisengebiet.

Christoph Klitsch-Ott (54) war für Caritas international als humanitärer Helfer schon in vielen Krisenregionen unterwegs, etwa in Afrika und dem Nahen Osten.
Von Johanna Heckeley