Theologe widerspricht Liturgie-Kritik von Benedikt XVI.
Die Kritik des emeritierten Papstes Benedikt XVI. an moderner Liturgie ist auf Widerspruch beim Bonner Liturgiewissenschaftler Albert Gerhards gestoßen. Benedikt bemängele zu Recht "schlecht vorbereitete Gottesdienste", werfe diese aber mit der Liturgiereform selbst "in einen Topf", sagte Gerhards am Montag im Kölner domradio. Das habe er bereits in den 1960er Jahren so gemacht. Schon damals habe sich der spätere Papst gegen gewisse Neuerungen gewehrt. "Wenn Tanz im Gottesdienst und neues geistliches Liedgut verwendet wurden, dann hat er das immer auf diese Formel gebracht", so der Theologe.
Ein "Entweder-Oder-Denken"
Benedikt XVI. habe in dieser Beziehung ein "Entweder-Oder-Denken", sagte Gerhards. "Entweder ist Liturgie kultig oder verflacht kommunikativ." Das Zweite Vatikanische Konzil (1962 - 1965) und die später daraus hervorgegangene Liturgiereform hätten aber gerade einen "dritten Weg vorgelegt, der besagt, dass der Gottesdienst ein gott-menschlicher Austausch ist, der einerseits schon die göttliche Vorgabe hat, aber auch auf der anderen Seite den Menschen mit all seinen kreativen Möglichkeiten und Fähigkeiten einbeziehen will". Das stelle der emeritierte Papst in seiner Liturgietheologie "nicht wirklich ausgewogen" dar.
Der ehemalige Papst hatte in einem Vorwort der russischen Ausgabe seiner Werke zur Liturgie eine "Verdunkelung" Gottes in der Liturgie beklagt. Darin liege die eigentliche Ursache für die Krise der Kirche. In einem weit verbreiteten Missverständnis der Liturgiereform habe man die Unterweisung sowie die eigene Aktivität und Kreativität in den Mittelpunkt des Gottesdienstes gerückt. Wenn aber der Vorrang Gottes nicht mehr in der Liturgie und im Leben deutlich werde, sei die Kirche in Gefahr, so der 90-Jährige. Benedikt XVI. war bis 2013 Oberhaupt der Katholiken. (KNA)