Dorothea Wendebourg sieht "Wildwuchs" in Gottesdiensten

Theologin sieht evangelische Kirche in großer Gefahr

Veröffentlicht am 13.06.2018 um 11:45 Uhr – Lesedauer: 
Eine ältere Frau sitzt alleine in der Kirchenbank
Bild: © KNA
Evangelische Kirche

Köln ‐ Nicht einmal mehr vier Prozent der evangelischen Christen in Deutschland gehen sonntags in die Kirche. Die Theologin Dorothea Wendebourg schlägt deshalb Alarm - und spricht von "Wildwuchs" in Gottesdiensten.

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Die evangelische Theologin und Kirchenhistorikerin Dorothea Wendebourg sieht ihre Kirche in großer Gefahr. "Mit leeren Kirchen gibt es kein Christentum," sagte sie am Mittwoch im Deutschlandfunk. Neben fehlender Disziplin und Lebendigkeit in manchen Gemeinden kritisierte sie unter anderem "liturgischen Wildwuchs" und "fehlende Gottesdienstzentrierung".

"Man hat doch viel Wildwuchs in Gottesdiensten, liturgischen Wildwuchs, Gebetsformulierungen, schlecht vorbereitete Predigten", so die Berliner Professorin. Hier sollten sich Pastorinnen und Pastoren "mehr an der Kandare reißen" und selbstkritischer sein: "Nicht alles, was einem gerade mal so einfällt, ist deswegen schon wunderbar für alle anderen." Wendebourg verwies auch auf Mängel in der Ausbildung: "Da fasse ich mich mit an die eigene Brust als Theologieprofessorin, die lange ja dafür verantwortlich gewesen ist, dass wir vielleicht die Relevanz dessen, was wir da lehren für das kirchliche Leben nicht hinreichend klarmachen."

Theologin sieht "viel guten Willen"

Bei manchen Geistlichen fehle ihr auch "Gottesdienstzentrierung bei der Motivation", ergänzte die Theologin: "Viel guter Wille, alles Mögliche, aber dass das eben alles am Sonntagvormittag seine Erdung hat, erlebt man bei uns oft nicht." Zu wenig werde oft beachtet, wie man Menschen zu verantwortetem Glauben verhelfen könne: "Das hat sein Zentrum im Gottesdienst und nicht in der Kirchenleitung, obwohl die das gerne so hätte."

Bild: ©dpa/Markus Hibbeler

Der Anteil der Gottesdienstbesuch liegt bei der Evangelischen Kirche in Deutschland noch um einiges niedriger als bei den Katholiken.

Natürlich seien auch politisches und soziales Engagement wichtig, ergänzte Wendebourg, aber es müsse klar bleiben, was Wurzel und was Frucht christlichen Engagements ist. Oft habe sie den Eindruck, "dass viel über das Zweite gesprochen wird, aber wenig über das Erste und über die Verbindung von beidem überhaupt nicht".

Natürlich garantierten auch volle Kirchen kein lebendiges Christentum, räumte die Theologin ein, "aber mit leeren Kirchen gibt es gar kein Christentum mehr. Und, wenn wir nicht den Ofen warmhalten, von dem das alles dann abstrahlt - und dieser Ofen wird gefeuert im Gottesdienst", dann sei der bald kalt und strahle auch nichts mehr ab.

Guten Predigten und schöne Kirchenmusik gesucht

"Befeuern" könne man diesen Ofen am besten mit guten Predigten, schöner Kirchenmusik, "die sowohl gute Texte als auch eine herzergreifende Musik hat, durch Gebete, die wirklich Gebete sind und nicht Verlautbarungen, und einfach auch durch eine saubere Form. Das haben die Katholiken uns voraus."

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat mit einem extrem niedrigen Gottesdienstbesuch zu kämpfen. Von den 22,3 Millionen Mitgliedern gehen laut EKD-Statistik-Broschüre (2016) nur 808.000 sonntags in den Gottesdienst. Das sind rund 3,6 Prozent. Zum Vergleich: In der katholischen Kirche in Deutschland liegt der Anteil der Gottesdienstbesucher noch bei 10,2 Prozent. (bod/KNA)