Die Organspenderzahlen in Deutschland waren 2013 so tief wie nie

Tiefpunkt nach Skandal

Veröffentlicht am 15.01.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Ein ausgefüllter Organspendeausweis wirdaus einem schwarzen Geldbeutel geholt.
Bild: © KNA
Organspende

Bonn/Frankfurt ‐ Es ist der Tiefpunkt bei der Organspende in Deutschland: Mit 876 Spendern im vergangenen Jahr sank die Zahl auf den niedrigsten Stand seit der Verabschiedung des Transplantationsgesetzes 1997. Dies teilte die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) am Mittwoch in Frankfurt mit. Schon 2012 seien es mit 1.046 Spendern weniger als in den Vorjahren gewesen. Insgesamt 3.034 Organe wurden übertragen – ein Rückgang um 14 Prozent – während rund 11.000 Patienten auf ein Spenderorgan warten.

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Die DSO spricht von einer "erschütternden Jahresbilanz". Ähnlich besorgt sieht das auch der Katholische Krankenhausverband Deutschlands (KKVD). "Wir werten es nicht positiv, dass die Bereitschaft der Menschen zur Organspende abgenommen hat", sagte Thomas Vortkamp, der Geschäftsführer des Verbands, der 435 Kliniken in katholischer Trägerschaft vertritt. Er sehe seinen Verband nun noch stärker in der ethischen Pflicht, über das Thema Organspende zu informieren, so Vortkamp gegenüber katholisch.de.

Katholische Krankenhäuser fordern Transparenz

Als Ursache für den erneuten Spenderrückgang wird der Transplantationsskandal vom Sommer 2012 genannt, als einige Kliniken Spenderlisten manipuliert hatten. Diese Skandale hätten die Menschen verunsichert. Nun gehe es um Vertrauensgewinn, sagt Vortkamp. Den katholischen Krankenhäusern ist weiterhin die sogenannte Zustimmungsregelung wichtig, dass also die Entscheidung jedes Bürgers respektiert werde, ob für oder gegen die Organspende. Deshalb habe man im vergangenen Jahr zusammen mit dem evangelischen Krankenhausverband in 640 Kliniken Informations-Flyer zu dem schwierigen Thema verteilt.

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Video: © Gregory McKenzie, Nicole Stroth

Die wichtigsten Informationen zur Organspende im Überblick

Man überlege, mit einer neuen Aktion die Krankenhäuser zu sensibilisieren, so Vortkamp. Schließlich gebe es auch nach den Skandalen noch Menschen, die sich ganz bewusst für einen Organspendeausweis entscheiden. Er betont aber auch, dass insbesondere die DSO in der Pflicht sei, für mehr Transparenz und Vertrauen zu sorgen. Die Stiftung müsse sich auch fragen, wie viele Transplantationszentren in Deutschland wirklich nötig seien und ob weniger nicht ausreichten.

Gesundheitsminister Gröhe wirbt für Spenden

Die DSO betrachte die "drastische Entwicklung" des Rückgangs "mit großer Sorge", sagte Rainer Hess, der Vorsitzende der Stiftung. Er plädiert für eine kontinuierliche Aufklärung und Transparenz und versucht, die Menschen zu beruhigen: "Kein Patient muss in Deutschland befürchten, wegen einer Organspende von den Ärzten zu früh aufgegeben zu werden." Die gemeinnützige DSO begleitet in der Akutsituation alle Abläufe von der Feststellung des Hirntods bis zum Organtransport.

Angesichts des historischen Tiefs will auch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) weiter für Organspenden werben. Jeder, der sich persönlich für eine Organspende entscheidet, könne Leben retten, sagte Gröhe gegenüber faz.net . "Wir müssen beharrlich bleiben." Schon in der letzten Wahlperiode habe man für mehr Transparenz gesorgt. "Es gibt mehr Informations- und Aufklärungsangebote, es gibt mehr Kontrolle und es gibt schärfere Sanktionsmöglichkeiten bei Fehlverhalten", so der Minister. Die Bundesregierung werde weiter über die Organspende "sachlich informieren" und für sie werben.

Von Agathe Lukassek

Die Position der Kirchen

Die Kirchen sprechen sich grundsätzlich für die Organspende aus: 1990 haben die Deutsche Bischofskonferenz und der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland eine gemeinsame Erklärung zur Organtransplantation herausgegeben. "Aus christlicher Sicht ist die Bereitschaft zur Organspende nach dem Tod ein Zeichen der Nächstenliebe und Solidarisierung mit Kranken und Behinderten", heißt es darin. Die Deutsche Bischofskonferenz begrüßte die Reform des Transplantationsgesetzes von 2012, nach der nun alle Bürger über 16 Jahre regelmäßig über ihre Organspenderbereitschaft befragt werden. Es gibt aber auch prominente christliche Nichtspender wie die mitteldeutsche evangelische Landesbischöfin Ilse Junkermann, die es ablehnt, dass Knochen von Spendern auch gemahlen und zu Arzneimitteln verarbeitet würden. "Es gibt keine christliche Verpflichtung zur Organspende", sagte der Präses der EKD, Nikolaus Schneider, Ende 2012. Kritik der Kirchen wendet sich gegen offensichtliche Missstände wie den Organhandel, aber es gibt auch Bedenken aufgrund des ethischen Dilemmas bei der Organentnahme bei Hirntoten. Auch der Vatikan wägt ab: Papst Johannes Paul II. (1978-2005) schrieb 2005 an Wissenschaftler, dass die Kirche zu Organspenden ermutige, mahnte aber gleichzeitig, dass auch die Menschenwürde des potenziellen Spenders geschützt werden müsse. Sein Nachfolger Benedikt XVI. (2005-2013) sagte 2008 vor der Päpstlichen Akademie: "Der Akt der Liebe, der durch das Spenden der eigenen lebenswichtigen Organe ausgedrückt wird, bleibt ein Zeugnis der Nächstenliebe." Er forderte, dass "Vorurteile und Missverständnisse" rund um die Organspende ausgeräumt werden müssten. (luk)