Union: Nein und Ja zur "Ehe für alle"
Fast alle Parteien im Deutschen Bundestag sind für die "Ehe für alle". Allein die Unionsparteien haben das bisher abgelehnt. Doch auch dort gibt es Abgeordnete, die für eine Öffnung der Ehe aussprechen. Einer von ihnen ist Jens Spahn. Der 37-jährige Katholik ist parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium und gehört zu den deutlichsten Stimmen in der CDU für die Rechte von Homosexuellen. Gegenüber katholisch.de erläutert er seine Position.
Frage: Herr Spahn, Sie stimmen am Freitag für die Einführung einer "Ehe für alle". Warum?
Jens Spahn: Gerade, weil ich ein wertkonservativer Mensch bin, möchte ich, dass auch zwei Männer oder zwei Frauen "Ja" zueinander sagen und heiraten können. Wenn zwei Menschen rechtlich verbindlich vor dem Staat erklären, dass sie mit allen Konsequenzen lebenslang in guten wie in schlechten Zeiten finanziell und fürsorglich füreinander einstehen, dann leben sie genau die bürgerlichen Werte von Verlässlichkeit, von Freiheit in Verantwortung und von Zusammenhalt, wegen derer ich einmal in die CDU eingetreten bin. Letztlich steht das für eine weitverbreitete Sehnsucht nach Zusammenhalt und Miteinander, die wir lange Zeit vermisst haben. Die zivilrechtliche Ehe ist dabei übrigens vom Sakrament der kirchlichen Ehe zu unterscheiden. Das eine ist des Staates und damit politischen Mehrheiten zugänglich, das andere ist Sache der Kirche und das bleibt auch so.
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Am Freitag entscheidet der Bundestag über die "Ehe für alle". Mit der Gesetzesänderung würde das traditionelle Verständnis der Ehe aufgegeben, warnen Kardinal Reinhard Marx und andere deutsche Bischöfe.Frage: Die Öffnung der Ehe soll über den Weg eines einfachen Gesetzes erfolgen, nicht über eine Grundgesetzänderung. Warum ist aus Ihrer Sicht die "Ehe für alle" mit dem Ehebegriff des Grundgesetzes zu vereinbaren?
Spahn: Die Väter des Grundgesetzes waren auch Kinder ihrer Zeit. Damals stand eine Frage wie die Öffnung der Ehe gar nicht zur Debatte. Die Gesellschaft hat sich geöffnet und der Ehebegriff hat eine starke Wandlung vollzogen: Die Ehe als Institution war 1800 etwas anderes als 1900 – und sie prägt sich heute in einem anderen gesellschaftlichen Umfeld aus als noch 1960. Damals waren die Rechte der Frauen in der Ehe jedenfalls weit von heutigen Vorstellungen entfernt. Es gab über die Jahrzehnte eine Entwicklung hin zu mehr Offenheit, zu mehr Gleichberechtigung, zu mehr Chancen und zu mehr Selbstverwirklichung. Der Kern ist aber geblieben: Das verbindliche Versprechen zweier Menschen füreinander. Kurzum: Die Ehe hat sich verändert und ist zum lebens- und liebenswerten Lebensmodell geworden. Die Öffnung für gleichgeschlechtliche Paare ist ein weiterer Ausdruck dieses Wandels.
Ich sehe nicht, wo das gegen Artikel 6 des Grundgesetzes steht. Vielmehr: Man kann für die Öffnung der Ehe sein und sich gleichzeitig für den Schutz der Familie einsetzen. Ich werbe sehr für mehr Respekt und Unterstützung für Familien, gerade für die mit vielen Kindern. Familien sind Zukunft und Kern unserer Gesellschaft und das bleiben sie auch. Es ist sehr anerkennenswert, was sie – aber auch Alleinerziehende – tagtäglich leisten. Das können wir in dieser Debatte – und überhaupt gerne öfter – gut gemeinsam deutlich machen. Mich nervt es übrigens tierisch, dass in einigen gesellschaftlichen Kreisen das schwule Paar mehr Anerkennung bekommt, als die vollzeiterziehende Mutter mit drei Kindern. Beides verdient Respekt!
Frage: In Frankreich und Spanien hat die schnelle Einführung der "Ehe für alle" zu großen Protesten geführt. Erwarten Sie auch bei uns eine entsprechende Gegenbewegung? Wie geht es für die Unionsparteien, deren Abgeordnete anscheinend mehrheitlich gegen eine "Ehe für alle" stimmen, nach der Abstimmung in dieser Sache weiter?
Spahn: Auch wenn es jetzt danach aussieht, ist die Öffnung der Ehe alles andere als Hauruck: Mit jedem Schritt und mit jeder Debatte konnten auch in Deutschland Akzeptanz und Selbstverständlichkeit wachsen. Heute gibt es in der Bevölkerung in allen politischen Lagern, von links bis rechts, eine übergroße Mehrheit für diesen Schritt. Gleichgeschlechtliche Paare sind heute auch auf dem Land voll akzeptiert: Sie feiern mit ihren Nachbarn, leben – auch christliche – Traditionen zuhause und werden sogar Schützenkönig. Auf diese neue gesellschaftliche Normalität und gelebte Nächstenliebe können wir stolz sein. Auch das ist ein gutes Stück Deutschland.
Weitere Stimmen aus der Unionsfraktion
Der religionspolitische Sprecher der CDU/CSU im Bundestag, Franz-Josef Jung, rechnet mit einer klaren Entscheidung seiner Fraktion gegen die "Ehe für alle". Eine "große Mehrheit" an Unionsabgeordneten werde "nach dem eigenen Gewissen eindeutig dagegen stimmen", sagt er im Interview mit katholisch.de.
Unter den CSU-Abgeordneten, die mit "Nein" stimmen, ist der Vizepräsident des Bundestags, Johannes Singhammer. Durch das rasche Vorgehen der SPD entstünde Rechtsunsicherheit, da die verfassungsrechtlichen Fragen nicht ausreichend geprüft worden seien, erklärte er gegenüber katholisch.de. Singhammer betont die weitgehende Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft mit Ausnahme der Adoption: "Man darf nicht die Menschen als reaktionär verunglimpfen, die sich Gedanken darum machen, welche Bezugspersonen ein Kind braucht: gleichgeschlechtliche oder verschiedengeschlechtliche? Ich meine: Ein Kind braucht Vater und Mutter in ihrer Unterschiedlichkeit."
Verfassungsrechtliche Bedenken
Auch die Neu-Ulmer CSU-Abgeordnete Katrin Albsteiger unterstreicht gegenüber katholisch.de, dass aus Sicht ihrer Partei die Verbindung von Mann und Frau zum Begriff der Ehe wesentlich dazugehöre: "'Ehe' hat auch immer einen generativen Aspekt zur Weitergabe des Lebens. Das ist nur zwischen Mann und Frau möglich und deshalb genießt diese Verbindung den besonderen Schutz des Grundgesetzes." Wie Singhammer verweist auch Albsteiger auf verfassungsrechtliche Bedenken und warnt vor einer überstürzten Entscheidung: "Ein derartig tiefgreifendes legislatives Projekt peitscht man nicht in drei Tagen durch – Parlamentarismus heißt Debatte und diese Debatte braucht Raum und Zeit."
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Die "Ehe für alle" kommt. Daran kann es nach der Kehrtwende Angela Merkels keine realistischen Zweifel mehr geben, sagt Kilian Martin. Die Bundesrepublik stehe vor einer Zäsur – und die Kirche vor einer großen Aufgabe.Die rheinland-pfälzische Abgeordnete Mechthild Heil dagegen, die zugleich Vorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) ist, wird für die "Ehe für alle" stimmen. Dies bestätigte sie gegenüber katholisch.de. In einer Erklärung betont die kfd, dass für den Verband nichts "gegen eine rechtliche Gleichstellung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe" spreche. Kritisch gesehen wird jedoch die "Umdeutung des Begriffs der Ehe". Der Verband mahnt eine Diskussion darüber an, "ob es sinnvoll und zielführend ist, unterschiedliche Formen des Zusammenlebens und zugleich unterschiedliche Eheverständnisse mit dem gleichen Begriff zu bezeichnen".
Ähnlich positioniert sich auch der zweite große katholische Frauenverband. In ihrer Funktion als Präsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB) nennt die Abgeordnete Maria Flachsbarth die Gleichstellung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft einen "Ausdruck von Gleichberechtigung und Verantwortung, die Menschen gleichen oder unterschiedlichen Alters und Geschlechts füreinander übernehmen". Nach Auskunft ihres Abgeordnetenbüros werde sie bei der Abstimmung im Bundestag jedoch mit "Nein" stimmen. In einer persönlichen Erklärung, die katholisch.de vorliegt, spricht sie sich stattdessen dafür aus, auch eingetragene Lebenspartnerschaften zusätzlich zur Ehe unter den Schutz des Artikels 6 des Grundgesetzes zu stellen. Auf diesem Weg solle eine volle rechtliche Gleichstellung, auch was Adoptionen angeht, erreicht werden. Dagegen könnten nur "in der Paarkonstellation von Mann und Frau gemeinsame Kinder gezeugt und Leben weitergegeben werden", heißt es in der Erklärung. Daher sei auch die Bezeichnung "Ehe" der Verbindung von Mann und Frau vorzubehalten.