"Unser Glaube ist revolutionär"
Der Gottesdienst fand im "Bicentenario-Park" statt. Der Name erinnert an die Unabhängigkeit der südamerikanischen Staaten von der spanischen Kolonialmacht vor 200 Jahren.
Kritiker halten mehreren Staatspräsidenten Lateinamerikas einen autoritären Regierungsstil vor, etwa Nicolas Maduro in Venezuela, Evo Morales in Bolivien, aber auch Rafael Correa im Gastgeberland Ecuador, der bei der Papstmesse zugegen war.
Höhepunkt des dritten Besuchstages
Der Gottesdienst unter freiem Himmel war der geistliche Höhepunkt am dritten Tag der Südamerika-Reise von Franziskus. Hierbei wurde auch eine Bibellesung in Ketschua vorgetragen, einer Sprache der indigenen Bevölkerung. Zuvor war Franziskus im Bicentenario-Park mit den Bischöfen Ecuadors zusammengetroffen.
Franziskus hob in seiner Predigt hervor, dass die Anliegen der Unabhängigkeitsbewegungen in den lateinamerikanischen Staaten mit denen des Christentums "tief überstimmten". Er verglich das "Flüstern Jesu beim Letzen Abendmahl" mit dem Schrei nach Freiheit, der damals aus dem Bewusstsein der Freiheitsberaubung und der Unterdrückung durch die jeweiligen Machthaber hervorgegangen sei.
Den Glauben an andere weiterzugeben, das sei die Revolution des Christentums: "Das Evangelium verkünden. Das ist unsere Revolution - denn der Glaube ist immer revolutionär".
Weiter rief Franziskus dazu auf, sich für Einheit und Dialog einzusetzen. Christen müssten angesichts des erneuten Aufkommens von Kriegen von Gewalt darauf beharren, "den anderen anzuerkennen, die Wunden zu heilen, Brücken zu bauen, Beziehungen zu knüpfen und einander zu helfen", so der Papst.
"In Demut auf jene zugehen, die Gott fern sind"
Sie müssten Selbstsucht vermeiden, Kommunikation fördern und zur Zusammenarbeit ermutigen. Diese Einheit sei auch bereits eine missionarische Tätigkeit. Christliche Mission sei kein Bekehrungseifer, sondern "in unserem Zeugnis, mit dem wir die Fernstehenden begeistern und in Demut auf jene zugehen, die Gott und der Kirche fern sind, die furchtsam und gleichgültig sind".
Kriege und Gewaltausbrüche der aktuellen Welt seien zudem nicht ausschließlich auf Spannungen zwischen Staaten und sozialen Gruppen zu beziehen. "In Wirklichkeit sind sie ein Ausdruck dieses verbreiteten Individualismus, der uns trennt und uns gegeneinander stellt", so der 78 Jahre alte Papst.
Linktipp: Das Programm der Papstreise nach Lateinamerika
Das vollständige Programm der Reise von Papst Franziskus nach Ecuador, Bolivien und Paraguay (5. bis 13. Juli) finden Sie auf der Internetseite des Vatikan.Nach dem Gottesdienst standen noch Reden vor Vertretern von Schulen und Universitäten sowie vor Politikern und Repräsentanten des öffentlichen Lebens auf dem Programm.
Im Vorfeld forderte der Verband der indigenen Völker Ecuadors (Conaie) Franziskus zu einer klaren Positionierung auf. Er hoffe, dass der Papst zu Respekt für die indigenen Völker aufrufen werde, und er hoffe, dass die Regierung auch hören, akzeptieren und darüber nachdenken werde, was der Papst sage, zitiert die Tageszeitung "El Universo" Conaie-Vizepräsident Romulo Acacho. Der Verband will dem Papst einen Brief überreichen, der die aktuelle Lage der indigenen Völker beschreibe.
Am Mittwoch geht es weiter nach Bolivien
Die Umweltschutzbewegung "YASunidos" äußerte die Hoffnung, dass sich der Papst für eine Amnestie von inhaftierten Umweltschützern und Sozialaktivisten einsetzt. Die Regierung müsse die Vernichtung isolierter indigener Völker im Nationalpark Yasuni beenden und die Erdölförderung in dem artenreichsten Naturschutzreservat des Landes einstellen. Zahlreiche indigene Völker kämpfen gegen die Ausbeutung des Yasuni-Parks.
Franziskus fliegt am Mittwoch nach Bolivien weiter. Die achttägige Reise will er am Wochenende in Paraguay abschließen. (gho/KNA/dpa)
07.07.2015, 20.45 Uhr: ergänzt um Statements des Verband der indigenen Völker Ecuadors und der Umweltschutzbewegung "YASunidos"