Verhältnis zu Osteuropas Bischöfen verschlechtert
Es gab schon bessere Zeiten im Verhältnis der deutschen Bischöfe zu ihren Amtsbrüdern in Polen, Ungarn und anderen östlichen Nachbarländern. Erzbischof Ludwig Schick formulierte es am Mittwoch bei der Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischöfe in Ingolstadt vorsichtig so: "Wir spüren, dass es neue Schwierigkeiten im Ost-West-Dialog gibt." Diese beträfen den Umgang mit Flüchtlingen, aber auch das theologische Verständnis von Ehe und Sexualität, erklärte der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Bischofskonferenz. Nötig sei hier ein "neuer Impuls" der westlichen Seite. Den könne es jedoch nur geben "wenn die nötigen Kenntnisse da sind". Nachdem man sich in den vergangenen fünf Jahren hauptsächlich mit Afrika und dem Nahen Osten beschäftigt habe, wolle sich die Bischofskonferenz in den kommenden Jahren auf die mittel- und osteuropäischen Kirchen konzentrieren. "Wir wollen den Dialog intensivieren", so Schick. Der erste Schritt dazu war am Mittwoch ein Studientag unter dem Titel "Verständnisgrundlagen des Dialogs mit den Kirchen in Mittel- und Osteuropa" während der Frühjahrsvollversammlung. Dazu hatten die Bischöfe auch drei prominente katholische Wissenschaftler aus Polen, Ungarn und Tschechien eingeladen.
Tiefe Gräben in der Flüchtlingsfrage
Vor allem in der Debatte über die europäische Flüchtlingspolitik waren in der Vergangenheit tiefe Gräben sichtbar geworden; die deutschen Bischöfe gehörten zu den engagiertesten Verteidigern der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel, ihre polnischen und ungarischen Amtsbrüder hingegen standen mehrheitlich auf der Seite von Merkels größten Kritikern, dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und der inzwischen zurückgetretenen polnischen Ministerpräsidenten Beata Szydlo.
"Wir sind uns schon einig darin, dass, wenn jemand kommt, der in Not ist, er aufgenommen werden muss", betonte Erzbischof Schick. Die "eigentliche Differenz" gebe es aber in der Frage, wie diese Menschen verteilt würden. "Darüber müssen wir sprechen".
Der Prager Soziologie-Professor und Theologe Tomás Halík wies in Ingolstadt darauf hin, dass der Populismus keineswegs eine rein osteuropäische Erscheinung sei, sondern ein globales Phänomen. Begünstigt worden sei er in Osteuropa jedoch durch eine kulturelle und psychologische Identitätskrise nach dem Zusammenbruch des Kommunismus. Er sei zudem auch ein Protest gegen die herrschenden Finanz- und Machteliten, die sich aus ehemaligen kommunistischen Funktionären rekrutierten.
Umgang mit "Amoris laetitia"
Kaum weniger offensichtlich waren die gegensätzlichen Positionen der deutschen und vor allem der polnischen Bischöfe beim Umgang mit dem päpstlichen Schreiben "Amoris laetitia". Während die Deutsche Bischofskonferenz infolgedessen wiederverheiratete Geschiedene im Einzelfall zur Kommunion zuließ, beharren die polnischen Bischöfe auf dem bisher geltenden Ausschluss dieser Personengruppe.
Diese gegensätzlichen theologischen Auffassungen in Sachen Ehe und Familie, erklärte der ungarische Religionswissenschaftler András Máté-Tóth damit, dass die kommunistische Vergangenheit der Ostblock-Staaten den innerkirchlichen Diskussionsprozess verzögert habe. In den Kirchen Westeuropas habe er nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil bereits in den 1960er Jahren begonnen, in den Kirchen Mittel- und Osteuropas sei er hingegen erst nach dem Zusammenbruch des Kommunismus 1990 in Gang kommen können, so der Professor der Universität Szeged. Zugleich wandte sich Máté-Tóth gegen den Anspruch, dass die deutsche Position in dieser Frage das Maß aller Dinge sei. Sie sei "eine begründete Position", aber nicht "normativ" für andere.
Dass Deutschland auch von seinen östlichen Nachbarn lernen könne, betonte auch Erzbischof Schick. Als Beispiele nannte er Volksfrömmigkeit, "die bei uns verlorengegangen ist", etwa die Marienverehrung. Auch von der Verbindung von Mystik und Religion könne man sich in Deutschland, wo Religion stark verkopft sei, etwas abschauen. Gleiches gelte für die Wertschätzung der Familie und die Solidarität untereinander.
Während des Pressegesprächs wurde deutlich, dass die unterschiedlichen Wahrnehmungen schon beim geografischen Raum beginnen. Nachdem von deutscher Seite wiederholt von Osteuropa gesprochen worden war, erhob der Ungar Máté-Tóth Einspruch: "Osteuropa gibt es nicht", so der Wissenschaftler. Als dieser Begriff Erzbischof Schick kurz darauf dennoch über die Lippen kam, erklärte Schick, er könne auf diese geographische Bezeichnung nicht verzichten. Während man sich hier relativ einfach mit der Kompromissformel "Mittel- und Osteuropa" behelfen kann, die im offiziellen Titel des Studientags auch verwendet wurde, lassen sich die Unterschiede im politischen und theologischen Bereich wohl nicht von heute auf morgen beheben.
Es braucht eine gemeinsame Vision
Halik betonte, dass es im Dialog zwischen der Kirche in Deutschland und seinen östlichen Nachbarn wieder eine gemeinsame Vision brauche. Hierzu reichten Begegnungen zwischen den Bischöfen der Länder allein nicht aus. Nötig sei auch eine Zusammenarbeit der intellektuellen Zentren in den jeweiligen Ländern.
Der Hauptgeschäftsführer des Osteuropa-Hilfswerks Renovabis, Christian Hartl, beschrieb den Weg zu einer Wiederannäherung zwischen den Kirchen in Deutschland und seinen östlichen Nachbarn kurz und bündig so: "Begegnung, Begegnung, Begegnung".
Eine erste ranghohe Begegnung soll Ende August stattfinden. Dann wird der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, nach Danzig reisen.