Verteidigerin der Glaubensfreiheit für alle?
Eng bedruckt und gespickt mit Ausrufezeichen: 100 Seiten stark ist der Entwurf der Linken für die Bundestagswahl im September. Darin setzt die stärkste Oppositionspartei der zu Ende gehenden Legislaturperiode vor allem auf Umverteilung - mehr Hilfen für sozial Schwache, mehr Lasten für vermeintlich Starke. Eine Reichensteuer, eine Mindestsicherung von 1.050 Euro, ein höherer Mindestlohn von 12 Euro sowie gedeckelte Mieten sind nur einige der Forderungen, die am Wochenende auf dem Parteitag in Hannover verabschiedet werden sollen.
Auch die Kirchen und Religionen werden in den Thesen bedacht. Wie bei den Grünen wird der Wahlkampf von zwei Spitzenkandidaten geführt: Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch. Während die 47-jährige Wagenknecht den linken Flügel der Partei vertritt, wird ihr 59-jähriger Mitstreiter Bartsch zum moderaten, reformorientierten Parteiflügel gezählt.
Im Leitantrag bekräftigt die Partei: "Wir wollen Fluchtursachen bekämpfen, nicht die Flüchtlinge!" Im Zentrum stehe das Recht, "nicht migrieren zu müssen". Zudem spricht sich die Linke gegen ein Limit aus ("Menschenrechte kennen keine Obergrenze") und plädiert für eine faire Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern in den Arbeitsmarkt. Auch dürfe es angesichts der Vielzahl an Krisen und Konflikten weltweit keine Rüstungsexporte mehr geben. Die Partei geht weiter und fordert eine Einstellung der Rüstungsproduktion in Deutschland.
Hier kommen für die Linke auch die Kirchen ins Spiel. "Wir wollen mit gesellschaftlichen Partnerinnen und Partnern aus Gewerkschaften, Kirchen, der Friedensbewegung Konversionsprogramme für die Beschäftigten in der Rüstungsindustrie entwickeln, um neue Arbeitsplätze zu schaffen", steht im Entwurf des Leitantrags.
Linktipp: Franziskus als unfreiwilliger Wahlkampfhelfer
Auf meterhohen Stellwänden ist überall in Rheinland-Pfalz Papst Franziskus zu sehen. Kommt das Kirchenoberhaupt etwa nach Mainz? Mitnichten - es ist eine Aktion der Linkspartei vor der Landtagswahl. Sie sorgt on- wie offline für Diskussionen. (Artikel vom Februar 2016)Kirchen und das Thema wird Religion finden auch an anderen Stellen Erwähnung - und das gleich mehrfach. "Der Staat muss unabhängig gegenüber den Religionen sein und Menschen, die aus weltanschaulichen oder religiösen Gründen verfolgt werden, schützen", heißt es in der Vorlage.
Die Partei bekräftigt eine "institutionelle Trennung von Staat und Kirche" und eine Ablösung der Staatsleistungen - Ersatzzahlungen des Staates für Vermögensverluste der Kirchen durch Reformation und Reichsdeputationshauptschluss - an die Kirchen. Die Kirchen sollten zudem ihre Mitgliedsbeiträge auch selbstständig erheben. Derzeit wird die Kirchensteuer vom Staat eingezogen, der hierfür rund drei Prozent des Aufkommens erhält.
Aus Sicht der Partei müssen Austritte aus Religionsgemeinschaften und Kirchen kostenlos sein und Konvertiten sollten Beratung und Hilfe erhalten. Religiös motivierte Bekleidung dürfe nicht verboten werden. Ferner sollten auch jüdische und muslimische Festtage als staatlich geschützte Feiertage anerkannt werden.
Die Linke kritisiert, dass es für Beschäftigte in Kirche, Diakonie und Caritas kein Streikrecht gibt. Der entsprechende Paragraf im Betriebsverfassungsgesetzes müsse gestrichen werden. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz müsse auch in kirchlichen Einrichtungen Anwendung finden. Das richtet sich gegen den derzeit praktizierten "Dritten Weg": Danach bilden Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Dienstgemeinschaft, in der alle einen Anteil am religiösen Auftrag der Kirche haben.
Kritisch bewertet die Linke die katholische und evangelische Militärseelsorge. "Die bestehende Form der Militärseelsorge entspricht nicht dem verfassungsmäßig gegebenen Recht auf Religionsfreiheit und ist auch innerhalb der Kirchen umstritten", schreibt die Linkspartei. Hier brauche es ersatzweise einen Vertrag, der eine religiöse Betreuung für "alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und eine freie Religionsausübung der Angehörigen der Bundeswehr garantiert".
Grundsätzlich will die Linke gegen einen "vermeintlichen 'Kampf der Kulturen'" Politik machen. Nicht hinzunehmen seien etwa anti-muslimischer Rassismus unter einem Deckmantel der Islamkritik.
Zugleich bekräftigt die Partei, dass sie radikalisierte Bewegungen grundsätzlich ablehne. Diese setzten Gläubige und Nichtgläubige unter Druck. "Wir verteidigen die Freiheit der Gedanken, des Gewissens und Glaubens", heißt es im Entwurf.