AfD stößt mit Anti-Islam-Thesen auf heftige Kritik

"Verzerrtes Bild des Islam"

Veröffentlicht am 18.04.2016 um 17:30 Uhr – Lesedauer: 
Politik

Bonn ‐ Ist der Islam nur eine politische Ideologie, die verfassungswidrig ist? Diese These führender AfD-Politiker hat über die Parteien hinweg einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Doch auch aus islamwissenschaftlicher Sicht sind die Aussagen mehr als fragwürdig.

  • Teilen:

Sogar die Bundesregierung äußerte sich am Montag zu den Aussagen der stellvertretenden Vorsitzenden Beatrix von Storch und Alexander Gauland. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe mehrfach betont, "dass es offenkundig ist, dass der Islam inzwischen unzweifelhaft zu Deutschland gehört", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Die Politiker waren in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" mit den Worten zitiert worden, viele Muslime gehören zu Deutschland, "aber der Islam gehört nicht zu Deutschland."

Grundsatzprogramm kritisiert "orthodoxen Islam"

Sie bezogen sich dabei auf den Entwurf eines Grundsatzprogramms, das die AfD Ende des Monats beschließen will. Darin heißt es, ein "orthodoxer Islam", der "die Rechtsordnung in der Bundesrepublik nicht respektiert oder sogar bekämpft und einen Herrschaftsanspruch als alleingültige Religion erhebt, ist mit unserer Rechtsordnung und Kultur unvereinbar".

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Nicht nur aus politischer, auch aus islamwissenschaftlicher Sicht gibt es Kritik an dieser Argumentation: "Die AfD zeichnet ein verzerrtes Bild vom Islam in Deutschland“, erklärte Nora Kalbarczyk gegenüber katholisch.de. Sie ist Islamwissenschaftliche Referentin der "Christlich-Islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle" (CIBEDO), einer Arbeitsstelle der Deutschen Bischofskonferenz.

Cibedo: Populistisch und problematisch

An dem Programmentwurf äußerte Kalbarczyk gleich aus mehreren Gründen deutliche Kritik. So sei der Terminus "orthodoxer Islam" eine Wortschöpfung mit unklarer Bedeutung. Die AfD mache sich zudem das Islamverständnis eines fundamentalistischen Islam zu eigen, das der Religion in den Ausprägungen wie sie in Deutschland existieren, nicht entspreche. "Das ist populistisch und problematisch und diskriminiert die Mehrheit der Muslime in Deutschland", so Kalbarczyk. Gerade solche Äußerungen schufen eine vergiftete gesellschaftliche Atmosphäre und könnten moderate Gläubige erst in die Arme von Extremisten treiben. Unabhängig davon würde gegen Gruppen, die die Rechtsordnung in Deutschland bekämpften, bereits heute rechtlich vorgegangen – dafür brauche es keine neuen Vorschläge der AfD.

Mit der NSDAP gar verglich Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, die AfD. Zum ersten Mal seit Hitler-Deutschland gebe es nun eine Partei, die erneut eine ganze Religionsgemeinschaft diskreditiere und sie existenziell bedrohe, so Mazyek am Montagvormittag auf NDR Info.

Linktipp: Mazyek vergleicht AfD mit Hitler-Partei

Mit heftiger Kritik reagieren Parteien und der Zentralrat der Muslime auf die Anti-Islam-Thesen der Alternative für Deutschland (AfD). Der Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek bezeichnete die neuen AfD-Forderungen als "grundgesetzwidrig".

Postwendend verurteilten hatten auch die religionspolitischen Sprecher verschiedener Parteien den Vorstoß der "Alternative für Deutschland" verurteilt. Die Positionen zum Islam zeugten von extremistischem Denken, das mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei, sagte etwa Franz Josef Jung, Beauftragter der Unionsfraktion für Kirchen und Religionsgemeinschaften.

"Brandgefährliche Äußerungen"

Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD), bezeichnete die Äußerungen als "brandgefährlich". Die Partei schüre auf primitive Art Vorurteile und versuche die Gesellschaft zu spalten. Sie füge Deutschland damit großen Schaden zu. Alle Demokraten seien aufgefordert, sich offensiv gegen „die fremdenfeindliche Hetze dieser Partei zu stellen“, betonte Sieling.

In der AfD selbst lösten die Äußerungen von Storchs und Gaulands ein geteiltes Echo aus. Jörg Meuthen, einer der beiden AfD-Bundesvorsitzenden, sprang seinen Parteikollegen bei und forderte eine "Dominanz christlich geprägter Religion" in Deutschland. Der rheinland-pfälzische AfD-Chef Uwe Junge dagegen rechnet mit einer differenzierteren Position seiner Partei zum Thema Islam. Dem Deutschlandfunk sagte er: "Ich denke nicht, dass sich diese Äußerung jetzt von Frau Storch und von Herrn Gauland in dieser Einfachheit halten lassen wird". Die AfD will Ende des Monats ein Grundsatzprogramm verabschieden.  Darin will sie ein Verbot der Symbole des Islams wie Minarette, den Ruf des Muezzins und die Vollverschleierung festschreiben. (gho/KNA/dpa)