Vom Tiber an den East River
Auch die Päpste Paul VI. (1963-1978), Johannes Paul II. (1978-2005) und Benedikt XVI. (2005-2013) hatten bereits vor der Weltgemeinschaft gesprochen. Damals waren jedoch Sonderversammlungen einberufen worden.
Vatikan als "Ständiger Beobachter"
Der Besuch am Hauptsitz der Vereinten Nationen am East River zählt zu den Höhepunkten der gut einwöchigen Reise des Papstes nach Kuba und in die USA. Was Franziskus der Staatengemeinschaft ins Stammbuch schreiben wird, ist noch nicht bekannt. Als sicher gilt, dass er verstärkte globale Anstrengungen zum Klimaschutz und zum Kampf gegen Armut fordern wird. Das hat er bereits in seiner im Juni veröffentlichten Umweltenzyklika "Laudato si" getan. Darin ging er mit den bisherigen Weltklimakonferenzen hart ins Gericht - und er forderte eine Weltautorität, die Sanktionen gegen Umweltsünder verhängen kann.
Der Vatikan selbst ist nicht Vollmitglied der UN, sondern hat seit 1964 den Status eines "Ständigen Beobachters". "Der Vatikan" ist in diesem Fall nicht der Vatikanstaat, sondern der Heilige Stuhl, das Leitungsorgan der katholischen Kirche. Er ist derzeit neben dem Malteserorden das einzige sogenannte nichtstaatliche Völkerrechtssubjekt unter dem Dach der UN.
Durch seinen Verzicht auf eine Vollmitgliedschaft will der Vatikan seine strikte Neutralität in politischen Angelegenheiten wahren. Als Ständiger Beobachter hat er uneingeschränktes Rederecht in den Vollversammlungen, darf aber nicht bei allen Entscheidungen abstimmen. Wegen dieses Status mussten die UN-Mitglieder jüngst etwa auch darüber abstimmen, ob auf dem UN-Gelände überhaupt die vatikanische Flagge für Franziskus gehisst werden darf.
Dass ein Papst vor den Vereinten Nationen spricht, wäre in den ersten Jahren nach ihrer Gründung kaum vorstellbar gewesen. Denn ihre inhaltliche Grundlage, die 1948 verabschiedete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, wurde von katholischer Seite in vollem Umfang erst 1963 von Johannes XXII. (1958-1963) in seiner Enzyklika "Pacem in terris" anerkannt. Zuvor hatte die Kirche die Menschenrechte lange abgelehnt oder stand ihnen später zumindest reserviert gegenüber. Diese Zeiten sind endgültig vorbei.
"Nie wieder Krieg"
Benedikt XVI. würdigte in seiner Ansprache im April 2008 ausdrücklich die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Sie habe "verschiedenen Kulturen, juristischen Ausdrucksweisen und institutionellen Modellen" erlaubt, "rund um einen grundlegenden Kern von Werten und damit von Rechten übereinzukommen". Die wohl berühmteste Rede vor den UN war aber wohl jene Pauls VI. Der flammende Friedensappell im Oktober 1965, vor 50 Jahren, mündete in dem bekannten Ausruf "Nie wieder Krieg". Johannes Paul II. sprach gleich zweimal am East River: 1979 kurz nach seiner Wahl und 1995 zum 50. Jahrestag der Gründung der UN.
Linktipp: Livestream zur Papstrede bei den Vereinten Nationen
Um 14.30 Uhr (deutscher Zeit) überträgt katholisch.de die Rede von Papst Franziskus vor den Vereinten Nationen live.Die Beziehungen des Vatikan zu den Vereinten Nationen haben sich in den vergangenen Jahren intensiviert. Mittlerweile hat der Vatikan zahlreiche UN-Konventionen unterzeichnet. Das Verhältnis zwischen Heiligem Stuhl und einzelnen UN-Einrichtungen ist jedoch nicht immer spannungsfrei. Wegen gegensätzlicher Auffassungen über Familienplanung, Aids-Prävention oder Abtreibung gibt es aus Rom immer wieder Kritik an der Weltgesundheitsorganisation WHO.
Für Diskussionen sorgte 2014 auch ein Bericht des UN-Kinderrechtskomitees UNCRC. Darin wurden dem Vatikan unzureichende Vorkehrungen zum Schutz Minderjähriger vor sexuellem Missbrauch vorgehalten und die kirchliche Position zu Abtreibung und Homosexualität kritisiert. Der Vatikan hingegen sah sich zu Unrecht für die Straftaten von Geistlichen in aller Welt zur Verantwortung gezogen. Die Einlassungen zu Abtreibung und Homosexualität verbat er sich als Einmischung in innerkirchliche Angelegenheiten.
Die Beziehungen litten unter diesen Missstimmungen nicht. Im Juli etwa organisierten die UN und die Päpstlichen Akademien der Wissenschaften und der Sozialwissenschaften gemeinsam eine Konferenz zum Klimaschutz.