Warum die Gesellschaft die Kirche braucht
Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige hat das Verhältnis zwischen der katholischen Kirche und dem Staat am Mittwochabend als "sachlich-konstruktiv" bezeichnet. Auch die evangelische Landesbischöfin Ilse Junkermann lobte das Verhältnis insbesondere zum Land Sachsen-Anhalt. Hier sei durch das bevorstehende Reformationsjubiläum eine "größere Nähe" entstanden. Die Beziehungen zum Staat seien aber nicht privilegiert, sondern vielmehr seien Kirche und Staat "fremde Freunde". Junkermann, Feige und die Präsidentin des 36. Deutschen Evangelischen Kirchentages, Christina Aus der Au, sprachen als Podiumsgäste beim "Ökumenischen Neujahrsgespräch" der Evangelischen und Katholischen Akademie in der Magdeburger Staatskanzlei zum Thema "Privilegierte Partnerschaft oder fremde Freunde".
Die stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Sachsen-Anhalt, Petra Grimm-Benne, lobte die Kirchen als "Berater" und für ihr Engagement bei der Integration von Flüchtlingen. Bischof Feige betonte, dass beim Blick auf das Verhältnis von Kirche und Staat das Gemeinwohl entscheidend sei. "Der Staat muss die Kräfte aller Bürger auf das Gemeinwohl lenken", sagte Feige. Dabei habe er das im Grundgesetz festgeschriebene Subsidiaritätsprinzip zu achten. Der Staat müsse das Gemeinwohl stützen und garantieren. Die katholische Kirche habe dafür die katholische Soziallehre entwickelt. Schnittmenge von Staat und Kirche sei der Mensch.
Feige: Die Kirche muss öffentlich sein
Feige warnte davor, Kirche ins Private zu drängen. "Warum sollen die Kirchen Gesellschaft nicht mitgestalten", fragte der Magdeburger Bischof angesichts der Kritik atheistischer Verbände am Verhältnis von Staat und Kirche. Nach wie vor gehörten zwei Drittel der Deutschen einer Kirche an. Kirche sei kein "reaktionärer Interessensverband". Der Magdeburger Oberhirte erinnerte an die antireligiöse Propaganda in der Sowjetunion und sagte er hoffe, " dass wir auf solche Zeiten nicht wieder zugehen".
Die evangelische Landesbischöfin Junkermann erteilte Forderungen nach einer Abschaffung der Staatskirchenleistungen eine Absage. "Die Staatskirchenleistungen sind Entschädigung für die Enteignungen durch den Reichsdeputationshauptschluss", sagte Junkermann. Die Ablösung der Leistungen sei im Grundgesetz vorgesehen. Die Landesbischöfin sagte, viel Menschen könnten in Mitteldeutschland "mit Gott und Glauben nichts anfangen". Deshalb sei Bescheidenheit im Auftreten notwendig. Die Kirchen seien aber ein unverzichtbarer Akteur der Zivilgesellschaft.
Junkermann kritisiert Aussagen von Donald Trump
Sorge äußerten die Podiumsgäste angesichts der Verrohung der Sprache in den Sozialen Medien. "Das macht mir zu schaffen. Es vergiftet die Atmosphäre in unserer Gesellschaft", sagte Bischof Feige. Er hoffe aber auf eine Trendwende. Auch Junkermann beklagte die Umgangsformen in den Sozialen Medien und, "dass Antisemitismus und Rassismus offensichtlich wieder hoffähig werden". Auch die "Menschenverachtung eines Präsidentschaftskandidaten" müsse angesichts dessen Äußerungen über mexikanische Zuwanderer thematisiert werden. "Weltweit ist eine steigende Gewaltbereitschat zu beobachten", warnte Junkermann.
Bei sogenannten Hass-Postings sehe sie keinen Zusammenhang mit der geringeren Kirchenbindung in den neuen Bundesländern. In Sachsen-Anhalt gehören nur 4,1 Prozent der Einwohner der katholischen Kirche und 15,5 Prozent der evangelischen Kirche an. Mit dem neuen Werbeslogan des Landes, "Sachsen-Anhalt, Ursprungsland der Reformation", könnten sich dementsprechend "80 Prozent nur schwer damit identifizieren". Die stellvertretende Ministerpräsidentin Petra Grimm-Benne sagte, der Spruch sei weniger ein Bekenntnis des Landes zur Kirche, als vielmehr Marketingabsicht.
Mit Blick auf das kommende Jahr sagte Grimm-Benne, sie hoffe, dass Politik und Kirche "wieder zu einer Sprache finden, dass Menschen uns verstehen."