Der Siegel-Dschungel im fairen Handel verwirrt die Verbraucher

Was ist wirklich fair?

Veröffentlicht am 05.08.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Kaffeeprodukte des Fair-Handels-Unternehmens GEPA, an dem auch die beiden Kirchen als Gesellschafter beteiligt sind.
Bild: © KNA
Wirtschaft

München ‐ Woran erkennen die Kunden fair gehandelte Waren? Der Siegel-Dschungel im fairen Handel verwirrt die Verbraucher.

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"Am Aufdruck auf der Rückseite“", ist sich Ingrid Nell sicher - dreht und wendet den "Praline Noisette"-Schokoriegel der Marke GEPA. Doch das markante, grün-blaue "Fairtrade"-Siegel auf schwarzem Hintergrund des Vereins TransFair sucht sie vergeblich. Stattdessen finden sich das grüne "Naturland Fair"-Zeichen und ein hellbraunes "fair+"-Label auf der Schokolade. "Das ist verwirrend", meint die Kundin. Denn in Deutschland tragen neun von zehn fair gehandelten Produkten das "Fairtrade"-Siegel, es ist folglich das bekannteste (siehe Kasten).

Wie Ingrid Nell geht es vielen Menschen, die in Weltläden oder Supermärkten fair gehandelte Produkte kaufen wollen und darauf seit einigen Monaten das "Fairtrade"-Siegel vermissen. Der Grund: Die GEPA, Europas größtes Fair-Handels-Unternehmen mit einem Jahresumsatz von gut 60 Millionen Euro, hat einen Strategiewechsel vollzogen. Das Unternehmen, das 1975 gegründet wurde und mehreren kirchlichen Gesellschaftern gehört, verzichtet seit dem vergangenen Jahr auf das "Fairtrade"-Siegel und druckt stattdessen sein eigenes "fair+"-Logo auf die Waren. "Wir wollen damit klarmachen, dass wir die bekannten Standards des Fairen Handels übertreffen", erklärt GEPA-Geschäftsführer Robin Roth. "Fair+" sei ein Versprechen an die Kunden: "Egal was wir einkaufen – wir werden unser Maximum tun, das fair zu machen."

"Den Fair-Gedanken ausweiten"

Dabei hat die GEPA vor allem Mischprodukte wie Schokolade im Blick. Sobald 20 Prozent der Zutaten einer Tafel - etwa Zucker, Kakao oder Vanille - fair gehandelt sind, kann der Hersteller das Fairtrade-Siegel aufdrucken. Die GEPA aber will den Anteil in ihren Artikeln auf 40 bis 100 Prozent erhöhen. So verwendet sie in verschiedenen Schokoriegeln faire Bio-Alpenmilch, zertifiziert vom Öko-Anbauverband Naturland . "Wir weiten den Fair-Gedanken auf die heimischen Landwirte aus", sagt GEPA-Mann Roth. Deren Existenz sei durch den Preisverfall von Lebensmitteln ebenso bedroht wie die der Kleinbauern auf der Südhalbkugel.

Zudem achtet die GEPA auf ökologischen Anbau, umweltverträgliche Verpackungen und gleicht ihren CO2-Ausstoß aus, indem sie ein Baumpflanzprojekt auf den Philippinen unterstützt. Der Verzicht auf das "Fairtrade"-Siegel soll die Marke GEPA stärken, indem sie sich bewusst von anderen Anbietern absetzt. Allerdings, betont die Firma, seien die Produkte, die bisher das Siegel trugen, auch weiterhin von der Organisation Fairtrade International (FLO) zertifiziert.

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Kritik von Eine-Welt-Initiativen

Eine-Welt-Initiativen, die oft in Kirchengemeinden entstanden sind, kritisieren den Strategiewechsel der GEPA. "Es gibt immer mehr Siegel, Label und Marken", sagt Alexander Fonari vom Eine-Welt-Netzwerk Bayern. "Das erschwert unsere Bildungsarbeit in Schulen und Vereinen." Man bedaure den Schritt der GEPA, denn dabei drohe das Gesamtziel des fairen Handels aus dem Blick zu geraten. Ähnliches berichten Betreiber der Weltläden, von denen es in Deutschland rund 800 gibt. Ihr Anteil am Gesamtumsatz des fairen Handels liegt aber lediglich bei sieben Prozent. Rund zwei Drittel der Produkte werden in Supermärkten verkauft, 15 Prozent über Großverbraucher wie Kantinen, Hotels oder Cafés.

Auch GEPA-Mitgesellschafter Misereor tat sich anfangs schwer mit der Entscheidung, erklärt Thomas Antkowiak, Geschäftsführer des katholischen Hilfswerks: "Wir waren nicht Feuer und Flamme, das gebe ich zu." Allerdings könne er nachvollziehen, dass sich die GEPA von Mitbewerbern absetzen wolle. Denn der Markt fair gehandelter Waren in Deutschland wächst rasant: Lag der Umsatz im Jahr 2004 noch bei 99 Millionen Euro, so hat er sich 2012 auf 600 Millionen Euro versechsfacht.

Viele Wettbewerber im Markt

In diesem Umfeld drängen neue Wettbewerber auf den Markt und versuchen, ihr Image mit einzelnen Produkten aufzupolieren. "Es gibt Anbieter, die suggerieren, dass sie im fairen Handel engagiert sind, ohne es wirklich zu sein", sagt Thomas Antkowiak. "Sie nutzen das ein Stück weit als Trittbrettfahrer."

Auch wenn die GEPA mit ihrer neuen Strategie hehre Ziele verfolgen mag, den Verbrauchern erleichtert sie nicht gerade das Einkaufen. Ingrid Nell, die Kundin aus dem Münchner Fair Trade Shop, hat einen Wunsch: "Ich würde es begrüßen, wenn man ein bekanntes Label hätte, an dem man sich orientieren kann."

Von Burkhard Schäfers

Die wichtigsten Logos

Zu unterscheiden sind Siegel - die unabhängige Zertifizierungsorganisationen vergeben - und allgemeine Zeichen, die Unternehmen selbst eingeführt haben. "Fairtrade": Der Verein TransFair vergibt das Siegel seit 1992 an Unternehmen, die den Produzenten Mindestpreise und Prämien garantieren, Einkäufe vorfinanzieren und langfristige Lieferbeziehungen eingehen, damit die Hersteller eine verlässliche wirtschaftliche Grundlage haben. Auch der Umwelt- und Arbeitsschutz spielen eine wichtige Rolle. Dem Siegel liegen die Kriterien von Fairtrade Labelling Organizations International (FLO) zugrunde, externe Kontrolleure überprüfen diese regelmäßig. www.fairtrade-deutschland.de "Naturland Fair": Der Bio-Anbauverband Naturland legt für dieses Siegel ökologische und soziale Kriterien an. Die Zertifizierung wurde gemeinsam mit Fair-Handels-Organisationen entwickelt und wird seit 2010 angeboten. Naturland zertifiziert auch Produkte der nördlichen Erdhalbkugel wie Milch. www.naturland.de "Fair for Life": Ein internationales Zertifizierungsprogramm der Bio-Stiftung in Kooperation mit dem Institut für Marktökologie (IMO), beide aus der Schweiz. Zertifiziert werden umweltfreundliche Produkte, ökologische Landwirtschaft und Management-Systeme nach international anerkannten Standards, unter anderem der FLO und der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen. www.fairforlife.net "fair+": Kein Siegel, sondern ein Zeichen der Firma GEPA. Damit will Europas größtes Fair-Handels-Unternehmen vermitteln, dass es die grundlegenden Standards des Fairen Handels übertrifft. www.fair-plus.de