Wenn Anbetung die Jugend begeistert
Seinen Ursprung hat Nightfever bei Benedikt XVI. Der hatte 2005 zum Abschluss des Weltjugendtags in Köln einen Wunsch geäußert: Er hoffe, dass "dieses kirchliche Ereignis in das Leben der Katholiken eingeschrieben bleibe und sie zu neuem geistlichen und apostolischen Schwung motiviere". Da hatte der Papst gerade zusammen mit rund 800.000 Jugendlichen die Vigil auf dem Kölner Marienfeld gefeiert, das einem Kerzenmeer glich. Jahre später sollte er dem Kölner Erzbischof Kardinal Joachim Meisner anvertrauen, eine solche Gebetsintensität wie bei diesem Abendgebet vorher noch nie erlebt zu haben.
Den ersten Nightfever-Gebetsabend gab es in Bonn
Ob sich der Wunsch des Papstes tatsächlich erfüllen würde, war damals noch nicht abzusehen. Aber bei der Vigil waren auch zwei junge Katholiken dabei, die den Papst beim Wort nehmen wollten. Es dauerte nicht lange, bis die Theologiestudenten Katharina Fassler-Maloney und Andreas Süß in Bonn einen Gebetsabend organisiert hatten, der an die Papst-Vigil anschließen sollte. "Nightfever", so betitelten sie das Event. Was eigentlich als einmalige Aktion gedacht war, entwickelte eine ungeahnte Eigendynamik. Bis heute hat es laut der Initiatoren 3.200 Folgeabende gegeben, zunächst in deutschen Städten, dann auch in Europa und Übersee: Sei es in der St. Patricks-Kirche in London, der gleichnamigen Kathedrale in New York oder dem Regensburger Dom. "Nightfever findet in zentralen Kirchen größerer Städte statt, die an belebten Plätzen liegen, in der Nähe von Bars, Restaurants oder Kinos", erklärt Andreas Süß, heute Pfarrer in Bensberg bei Köln.
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Nightfever folgt einem ganz besonderen Konzept, das sich an dem sogenannten "Barmherzigkeitsabend" der Gemeinschaft Emmanuel orientiert. Am Beginn des Abends steht jeweils ein Gottesdienst mit Eucharistiefeier — so weit, so konventionell. Aber damit ist noch lange nicht Schluss: Es schließt sich ein offener Gebets- und Mediationsabend an, der oft mehrere Stunden bis in die Nacht hinein dauert. Die jungen Leute sind eingeladen, noch in der mit Kerzenlicht erfüllten Kirche zu bleiben, zu beten und der Musik zu lauschen. Sie können auch einen Geistlichen ansprechen, für ein Gespräch oder um zu beichten. Zentraler Bestandteil der Gebetsabende ist außerdem die Anbetung der gewandelten Hostie in einer Monstranz. "Im Mittelpunkt von Nightfever steht Jesus Christus", sagt Pfarrer Süß. Hinzu kommt ein missionarischer Charakter, für den der gewählte Ort im Zentrum größerer Städte an Bedeutung gewinnt: Junge Christen gehen mit Lichtern auf die Straße, geben sie an andere Jugendliche weiter und fragen, ob sie nicht auch mit in die Kirche kommen wollen. "Die meisten von ihnen habe eine ganz andere Abendplanung, aber viele nehmen die Einladung an und kommen in die Kirche, sei es für fünf Minuten, eine halbe Stunde oder den ganzen Abend", erklärt Süß. Es sollen eben auch Menschen angesprochen werden, die sonst nicht viel mit Kirche zu tun haben.
Jugendliche erzählen Jugendlichen vom Glauben
Ewige Anbetung und Beichte — was auf den einen oder anderen vielleicht etwas zu fromm wirken mag, kommt gut an: In rund 50 Städten wird Nightfever heute regelmäßig im monatlichen oder zweimonatigen Rhythmus angeboten. Organisiert werden die Abende jeweils von ehrenamtlichen Teams, Hauptzelebranten der Gottesdienste sind nicht selten die jeweiligen Ortsbischöfe.
Auf dem Nightfever-Youtube-Kanal erklären junge Leute in zahlreichen Testimonials, was sie an der Aktion begeistert: "Ich finde es gerade gut, dass die Jugendlichen den Jugendlichen etwas erzählen und nicht nur die Erwachsenen", sagt eine junge Frau. Es seien eben Gleichaltrige, "die einem helfen, den Glauben zu finden". Ein anderer meint, dass sich junge Leute normalerweise ja nicht so sehr für die Kirche interessierten: "Aber wenn man sie gezielt anspricht, ist es doch etwas anderes". Und wieder eine andere fasst ihre Motivation, sich zu engagieren, kurz und knapp in einem Satz zusammen. "Ich helfe bei Nightfever mit, weil ich glaube, dass es meine Mission in der Welt ist".
"Nightfever wächst weltweit durch den Glauben der jungen Menschen", so beschreibt Pfarrer Süß den Erfolg des Projekts. Der Nachwuchs lasse sich gerade dann begeistern, "wenn sie gemeinsam mit anderen jungen Menschen die Erfahrung machen, dass ihnen etwas zugetraut wird und sie Kirche aktiv mitgestalten können", ist er überzeugt. Außerdem hätten die Jugendlichen ein "feines Gespür" dafür, ob ihr Gegenüber "authentisch ist, sich wirklich für sie interessiert und ihre Sorgen und Wünsche wahrnimmt". Längst gibt es nicht nur die Nightfever-Abende, sondern auch die Veranstaltungen der "Nightfever-Akademie" und seit 2016 "Nightfever-Explore", einen vertiefenden Glaubenskurs. Zum nächsten internationalen "Nightfever-Weekend" am kommenden Wochenende (20. bis 22.10.) in Köln, einer Art Tagung, haben sich rund 130 junge Menschen aus acht Nationen angemeldet um mit Blick auf die kommende Jugendsynode im Vatikan über das Thema Berufung zu diskutieren.
Nightfever verbindet Tradition und Moderne
Sogar bis in die wissenschaftliche Auseinandersetzung hat es Nightfever schon geschafft: Die "Theologischen Grundlegungen" hat Andreas Süß 2013 zusammen mit dem Theologen Hanns-Gregor Nissing veröffentlicht. Der Pastoraltheologe Matthias Sellmann stellt in einem Aufsatz in den "Stimmen der Zeit" fest, Nightfever nutze mit seiner Musik und dem Lichter- und Kerzenmeer das "volle Spektrum der modernen Eventkultur". Überrascht zeigt sich Sellmann darüber, wie attraktiv die Kombination "popkulturell anschlussfähiger christlich-konservativer Religiosität" bei den Jüngeren sei. In der gleichen Zeitschrift lobt der Liturgiewissenschaftler Alexander Zerfaß Nightfever dafür, die alte Andachtsform der Eucharistischen Anbetung neu "in Szene zu setzen" und auch eher kirchenferne Menschen anzusprechen. Gleichzeitig stellt er die Frage, ob ein Abend mit Eucharistischer Anbetung der richtige Weg sei, um Kirchenferne anzusprechen. Schließlich sei die Frage, ob diese die Bedeutung der Anbetung, die ja ein geradezu intimer Bestandteil des Glaubens sei, überhaupt voll erfassten. "Sie sehen es möglicherweise einfach als eine Art meditatives Angebot, durch dessen Ästhetik sie sich angesprochen fühlen". Der Bonner Theologe Albert Gerhards formuliert 2015 im "Liturgischen Jahrbuch" einige liturgiewissenschaftliche Anfragen an Nightfever, das er zwischen "modernem Event" und "traditionellem Katholizismus" sieht.
Demnächst wird sich sogar der Papst mit "Nightfever" beschäftigen. Denn die Aktion ist eines von drei Projekten der katholischen Jugendarbeit in Deutschland, das die Bischöfe Franziskus beispielhaft im nächsten Jahr auf der Jugendsynode vorstellen. Und vielleicht bekommt bei dieser Gelegenheit sogar Benedikt XVI. mit, was inzwischen aus seiner Idee geworden ist.