Wenn Christsein lebensgefährlich wird
Wer in Pakistan den Propheten Mohammed verunglimpft, kann zum Tode verurteilt werden; auf Koranschmähung stehen lebenslange Haftstrafen. Die fünf umstrittensten Paragraphen wurden während der Militärherrschaft zwischen 1980 und 1986 eingeführt. Heute könne selbst die Kritik an diesen Gesetzen als Vorwand für eine Anklage wegen Gotteslästerung dienen, berichtet das Hilfswerk missio Aachen. Im Alltag werde das Blasphemiegesetz dazu missbraucht, um im Zuge von Nachbarschaftsfehden, politischer Querelen oder ökonomischer Streitigkeiten missliebige Personen und religiöse Minderheiten auszuschalten oder unter Druck zu setzen.
2010 hatte der Fall der Christin Asia Bibi für internationales Aufsehen gesorgt: Die fünffache Mutter war zum Tode verurteilt worden, weil sie sich abfällig gegen den Propheten Mohammed geäußert haben soll. Sie bestreitet die Vorwürfe und legte Berufung ein. Der Oberste Gerichtshof setzte im Juli 2015 zwar das Todesurteil aus, ein Termin für die weitere Verhandlung ist aber noch nicht bekannt, laut missio, das 2014 eine Unterschriftenaktion für Asia Bibi gestartet hatte.
Gefährlich war der Fall auch für Asia Bibis Unterstützer: Shabbaz Bhatti, Minister für religiöse Minderheiten in der Regierung Pakistans, wurde 2011 ermordet. Und der frühere Gouverneur der Provinz Punjab, Salman Taseer, der sich für die Christin und eine Reform der Blasphemiegesetze einsetzte, wurde von seinem eigenen Leibwächter erschossen. Taseers Mörder wurde zum Tode verurteilt und im Februar dieses Jahres hingerichtet. Daraufhin setzten nach Medienberichten islamistische Kreise ein Kopfgeld in Höhe von bis zu 500.000 Dollar für die Ermordung von Asia Bibi aus.
Christen sind gesellschaftlich stigmatisiert
Doch das Blasphemiegesetz ist nicht alles: Auch im Alltag erfahren Christen in Pakistan Diskriminierung, Ausgrenzung und Ausbeutung. Missio bezeichnet die Christen in einem Bericht von 2014 als "in sozio-ökonomischer Hinsicht benachteiligte Gruppe": In den Städten seien Christen gesellschaftlich stigmatisiert, weil sie überproportional häufig "unreine" Berufe bei der Straßenreinigung, der Müllabfuhr oder als Haushaltshilfe ausübten; auf dem Land, weil dort siebzig Prozent der Christen als Landlose arbeiteten. Dadurch, dass christliche Bildungseinrichtungen verstaatlicht und islam-zentrierte Lehrpläne eingeführt worden sind, komme ein mangelnder Zugang zur Bildung hinzu. Im öffentlichen Leben wie in der Politik sind Christen daher selten vertreten.
Die gesellschaftliche Abneigung gegenüber Christen bekommen vor allem Frauen zu spüren. Missio Aachen berichtet von Zwangsehen und Zwangskonversionen in Pakistan: "Mädchen christlichen Glaubens – in der Regel im Alter zwischen 12 und 25 – werden verschleppt, zum Islam konvertiert und mit dem Entführer beziehungsweise einem Dritten verheiratet." Zwar erstatteten die Angehörigen des Opfers Anzeige, aber das Gerichtsverfahren bliebe oft ergebnislos: Bei der Vernehmung werde das Mädchen aufgefordert, zu bezeugen, ob es aus freien Stücken konvertierte und heiratete. In den meisten Fällen verbleibe das Mädchen während des Verfahrens jedoch bei dem Entführer. Gibt das Mädchen dann – etwa, weil es bedroht werde – an, freiwillig konvertiert zu sein und in die Heirat eingewilligt zu haben, werde das Verfahren eingestellt.
Ein weiteres Beispiel sind Fälle von Lynchjustiz wie im Februar 2015, als Dorfbewohner eine schwangere Frau und ihren Mann in den Ofen einer Ziegelei trieben, wo sie lebendig verbrannten. Wegen angeblicher Gotteslästerung hatte der Mullah die Dorfbewohner gegen die Christen aufgehetzt: Der Frau wurde vorgeworfen, Papierschnipsel verbrannt zu haben, auf denen Koranverse standen.