Wenn "Frau Pfarrer" im Altarraum steht
"Frau Pfarrer" – so wurde Magrit Thamm tatsächlich schon einmal genannt. Und das, obwohl sie katholisch ist. Damals war die ehrenamtliche Gottesdienstbeauftragte für den Gemeindepfarrer eingesprungen, der in einem Seniorenheim einen ökumenischen Gottesdienst hätte feiern sollen. "Ich trage in meinem Dienst nicht zivil, sondern eine weiße Albe", erklärt sie sich die Fehleinschätzung. "Ich habe zwar versucht, den Besuchern zu erklären, dass ich katholisch und keine Pfarrerin bin, aber die ließen sich nicht davon abbringen." Sie lacht.
Halbjähriger Kurs
Seit mehr als drei Jahren leitet Thamm bereits Wort-Gottes-Feiern in ihrer Gemeinde in Fränkisch-Crumbach im Bistum Mainz. In dem Ort im hessischen Odenwaldkreis steht sie an einem Sonntag im Monat "am Altar". Früher war sie bereits Lektorin und leitete ökumenische Gottesdienste und Andachten. Da kam die Anfrage ihres Pfarrgemeinderates, ob sie eine Ausbildung zur Gottesdienstbeauftragten machen wolle, nicht ungelegen: "Ich war sehr daran interessiert, mich mehr mit der Liturgie zu beschäftigen", erklärt sie. Ein halbes Jahr dauerte der Kurs, in dem die Teilnehmer Grundlagen der Liturgie und den Ablauf von Wort-Gottes-Feiern kennenlernten. Sie bekamen außerdem Methoden für die Auslegung der Bibel und die musikalische Gestaltung beigebracht. Schließlich ging es auch um ganz praktische Fragen, etwa der Organisation oder der Kleidung. Danach erhielt Thamm eine Bischöfliche Beauftragung – zunächst für drei Jahre. Im August erfolgte jetzt die unbefristete Beauftragung.
"Im Bistum Mainz gibt es solche Kurse für Laien schon seit den 1970er-Jahren", erklärt Liturgiereferent Tobias Dulisch. Seit den 2000er Jahren werden sie regelmäßig angeboten und gut angenommen. Wie Thamm seien viele der Frauen und Männer bereits vorher liturgisch aktiv, etwa in Pfarreien, aber auch in Krankenhäusern oder Altenheimen. Sie werden für den Dienst der Gottesdienstleitung vorgeschlagen, erklärt Dulisch.
Seine Grundlage habe der Dienst, wie andere liturgische Aufgaben auch, im Zweiten Vatikanischen Konzil, sagt Dulisch. Dieses habe das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen betont und "die Vielfalt gottesdienstlicher Formen in Erinnerung gerufen". Auch dem früheren Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, sei die liturgische Vielfalt ein Anliegen gewesen, erklärt der Liturgiereferent. Und da kämen die Gottesdienstbeauftragten ins Spiel: "Durch ihren Dienst stärken sie das Bewusstsein dafür. Neben der Wort-Gottes-Feier sind auch Formen der Tagzeitenliturgie oder Andachten Ausdruck dieser Vielfalt", erklärt Dulisch. Über mangelndes Interesse an dieser Aufgabe kann er sich nicht beklagen: "Das hat eine gute Tradition, die Kurse sind immer voll." Zahlen würden nicht erhoben, aber jedes Jahr kämen 15 bis 20 Gottesdienstbeauftragte dazu.
Auch die Gemeinde von Magrit Thamm hat die Form der Wort-Gottes-Feier gut angenommen. "Unser Pater Jozef Koscielny steht dahinter. Er hat es gut erklärt, nämlich dass man sich in der Feier in besonderer Weise auf das Wort Gottes konzentrieren kann." Es seien fast immer die gleichen, die zu ihr in die Gottesdienste kämen, "etwa genauso viele Leute unterschiedlichsten Alters wie sonst auch in der Messe", berichtet sie. Das habe sie zu Beginn gewundert. "Ich dachte, dass sich doch einige eher für die Vorabendmesse entscheiden." Denn die Möglichkeit, eine Eucharistiefeier mit Priester am gleichen Wochenende in der Pfarrei zu besuchen, bestehe nach wie vor, "das heißt, wer zu einer Heiligen Messe gehen möchte, kann das auch tun." Thamm selbst hat nur positive Rückmeldungen bekommen. "Mir haben Besucher gesagt, dass sie meinen Auslegungen der Bibel besser folgen können. Sie sind einfacher gehalten, nichts Hochtheologisches, denn ich habe ja keine Theologie studiert."
Die Auslegung als Teil der Wort-Gottes-Feier soll ein Glaubenszeugnis der Gottesdienstbeauftragten sein, hat Thamm in ihrer Ausbildung gelernt. "Und es ist auch nicht so lang wie eine Predigt bei einer Messe." Die Feier hat liturgische Besonderheiten, wie das Lobpreisgebet, das mit einem Hymnus, oft ein Glorialied, abschließt. "Und erst danach kommen die Fürbitten", erklärt Thamm. Damit mussten sich die Besucher zunächst vertraut machen: "Ich habe anfangs angesagt, dass man sich zum Lobpreis erheben soll. Das wusste ja keiner." Inzwischen kennen die Besucher den Ablauf. Auch Thamm ist mittlerweile geübt darin, die Feier zu leiten – und hat sich daran gewöhnt, die weiße Damenalbe zu tragen; eine "große Umstellung". "Furchtbar aufgeregt" sei sie gewesen, als sie das erste Mal alleine "am Altar" stand. Das habe sich zwar gelegt, "aber es ist längst keine Routine. Da ist noch immer das Gefühl, etwas ganz Besonderes zu machen", sagt sie.
Linktipp: Eine Feier zum Lob Gottes
Wenn am Sonntagmorgen die Glocken läuten, dann rufen sie die christliche Gemeinde zum Gottesdienst zusammen. Die katholische Kirche kennt verschiedene Gottesdienstformen.Dazu gehört auch, in Ausnahmefällen die Kommunion auszuteilen, etwa wenn es keine Urlaubsvertretung für den Pfarrer gebe. "Die Kommunion ist dann bereits konsekriert im Tabernakel. Wir teilen sie aus." Dafür hat Thamm eine weitere Ausbildung zur Kommunionhelferin abgeschlossen. "Und natürlich macht es mir große Freude!", sagt sie. Unterstützt wird Thamm von ihrer ganzen Familie. "Mein Mann ist Kantor der Kirche, er spielt Orgel und hilft bei der Musikauswahl. Und er liest meine Auslegungen und sagt mir, wenn er etwas nicht gut findet", erklärt sie. Wenn ihre drei erwachsenen Kinder zu Besuch seien, würden auch sie mithelfen, etwa die Lesung vortragen. "Oder sie spielen ihre Instrumente. Das gefällt den Leuten dann ganz besonders."
Unter dem Schutz Gottes
Ihr Ehrenamt habe ihren Glauben vertieft, meint Thamm, "sicherlich auch, weil man sich mehr Gedanken über das Evangelium macht". In Worte zu fassen, was sie während der Wort-Gottes-Feier fühle, sei allerdings schwierig: "Es sind so kleine, aber überragende Momente, die ich erlebe, wenn ich im Altarraum stehe", erzählt sie. Um sich darauf vorzubereiten, nutze sie die letzten fünf Minuten vor der Feier, ganz für sich in der Sakristei. "Das ist wie eine kleine Meditation, ich stelle mich so unter den Schutz Gottes".