Wie sollen Christen mit der AfD umgehen?
Die vorerst letzte größere Attacke gegen die Kirchen ritt die AfD auf ihrem Kölner Parteitag im April. Parteichef Jörg Meuthen bezeichnete kirchliche Aktionen gegen AfD-Positionen als "klerikalen Klamauk". Sein Vorstandskollege Armin Paul Hampel rief in schrillen Tönen zum Kirchenaustritt auf: "In dem Verein sollte keiner von uns mehr Mitglied sein." Als neues inhaltliches "Angriffsziel" entdeckte die AfD die historisch begründeten "Staatsleistungen" an die Kirchen. Wobei es ihr erkennbar weniger um eine Trennung von Staat und Kirchen geht als um staatliche Kontrolle der Religion.
In den Kirchen - von der Leitung bis zur Basis - wird derweil weiter um Wege im Umgang mit der AfD und ihren Anhängern gerungen. Der Bonner Publizist und evangelische Pastor Wolfgang Thielmann veröffentlichte dazu einen am Mittwoch in Berlin vorgestellten Sammelband mit dem Titel "Alternative für Christen? - Die AfD und ihr gespaltenes Verhältnis zur Religion". Thielmann schreibt im Vorwort: "Dieses Buch möchte Kirchen, Gemeinden und Gruppen helfen, sich mit der AfD auseinanderzusetzen, aber das Gespräch nicht aufzugeben."
AfD-Landtagskandidat beschreibt seine Sicht
Neben Thielmann kommen elf weitere protestantische Autoren zu Wort, überwiegend aus kirchlichen Leitungspositionen, darunter der Berliner Bischof Markus Dröge und der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski. Aber auch Superintendenten und Pfarrer schildern ihre Erfahrungen aus der Gemeindearbeit. Zudem dokumentiert der Band die Podiumsdiskussion mit Dröge und der Vorsitzenden der Gruppe "Christen in der AfD", Anette Schultner, beim Deutschen Evangelischen Kirchentag im Mai in Berlin. Schultner ließ laut Thielmann eine Anfrage zur Mitwirkung an der Publikation unbeantwortet.
Stattdessen schildert der Wuppertaler Jurist Hartmut Beucker in einem Beitrag seine Sicht der Dinge. Als der Protestant sich für ein AfD-Landtagsmandat bewarb, trat das Presbyterium, das Leitungsgremium seiner Kirchengemeinde, dem auch er angehörte, geschlossen zurück. Es befremdet beim Lesen etwas, dass Beucker zunächst seitenweise die Stereotypen der AfD-Kritik an den etablierten Parteien ausbreitet, bis er die Kurve zum Thema Kirche nimmt und sich dann als Opfer darstellt. Ihm sei "persönlich nichts vorzuwerfen, und das Programm ist nicht unchristlich", meint Beucker.
Im Anschluss an seinen Text schildert die zuständige Superintendentin des Kirchenkreises Wuppertal, Ilka Federschmidt, im Interview mit Thielmann ihre Sicht des Falles. Erkennbar wird auch in weiteren Beiträgen, dass es eine große Unsicherheit in Kirchengemeinden gibt, wie mit AfD-Vertretern in den eigenen Reihen umgegangen werden soll.
Mitgliedschaft kein Ausschlussgrund von kirchlichen Ämtern
Deutlich wird, dass es kein einfaches "Vademecum", keine allgemeingültigen Handlungsanweisungen dafür gibt und dass kein Weg an offener und vor allem sachlicher Debatte vorbeiführt.
So ist nach Auffassung Dröges eine AfD-Mitgliedschaft allein noch kein Ausschlussgrund von kirchlichen Ämtern. Erst menschenfeindliche Äußerungen könnten dies rechtfertigen, so der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Das AfD-Programm sei zwar nahe an der Grenze zur Menschenfeindlichkeit, könne aber insgesamt juristisch noch nicht als menschenfeindlich eingestuft werden.
Die Publikation geht auch der Frage nach, welche Christen Sympathien für rechte Überzeugungen entwickeln und warum das so ist. Thielmann verweist darauf, dass sich die drei Gründungssprecher der AfD, Frauke Petry, Bernd Lucke und Konrad Adam, im konservativen Protestantismus zu Hause sähen. Die Publizistin und AfD-Expertin Liane Bednarz führt dazu in ihrem Beitrag aus, wie "fromm und rechts" zusammenpasse und dass "radikale Christen" beiderlei Konfessionen anfällig für rechte Parolen seien.
Interessant sind dabei ihre Ausführungen zu Ideologie und Rhetorik von Schlüsselfiguren der sogenannten Neuen Rechten. Insgesamt ist Thielmanns Sammelband ein Appell, die kritische und sachliche Auseinandersetzung mit der AfD weiterzuführen - auch in Gesprächen mit den Parteivertretern.