Kölner Flüchtlings-Mentor hilft albanischer Familie durchs Asylverfahren

Willkommen in Köln

Veröffentlicht am 19.08.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Flüchtling im Beratungsgespräch mit der Caritas
Bild: © KNA
Flüchtlinge

Köln ‐ Albanien im Juni 2013: Arian Gashi* führt einen kleinen Gemischtwarenladen, seine Frau Sara ist Lehrerin, die beiden haben drei kleine Kinder. Das Leben ist in Ordnung, aber dann kommt die Parlamentswahl. Gashi gehört der Demokratischen Partei an und ist als Wahlbeobachter eingesetzt - und ist schockiert.

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Im Wahllokal erlebt er, wie Wähler von der gegnerischen Partei aufgefordert werden, ihr Kreuzchen "richtig" zu setzen, das Ganze mit einem Handyfoto zu dokumentieren und sich danach eine finanzielle Belohnung abzuholen. Gashi macht die Vorfälle öffentlich. Kurz darauf stehen zwei Schläger vor seiner Haustür und dreschen vor den Augen seiner Familie auf ihn ein.

Als er Tage später seinen Laden aufschließen will, ist die alte Holztür eingetreten, die Einrichtung zerstört, die Waren sind nicht mehr zu retten. Gashi geht zur Polizei und erstattet Anzeige. Im Bericht stehen die Vorgänge dann jedoch ganz anders, als er sie zu Protokoll gegeben hat. Gashi merkt: Hilfe wird er hier nicht bekommen.

Die Angst um die Familie sitzt dem jungen Mann im Nacken. Er kann nicht mehr arbeiten, weil er seine Frau und seine drei Kinder auf allen Wegen begleiten muss: zur Arbeit, in die Schule, in den Kindergarten. Fünf Monate hält die Familie die Bedrohung aus, dann kapituliert sie, packt ihr Leben in ein paar Koffer und steigt gemeinsam mit Saras Bruder in einen Flieger. Das Ziel: Bielefeld in Deutschland.

Ankunft in Köln

Ein Dreivierteljahr später sitzt Sara Gashi im Wohnzimmer des Kölner Flüchtlings-Mentors Klaus Kirschbaum und erzählt ihre Geschichte. Wie sie in Bielefeld ankamen, von da aus über Umwege nach Köln gelangten und in einem Asylbewerberheim untergebracht wurden. Zu sechst in einem Zimmer mit vier Betten, einer schmutzigen Gemeinschaftsdusche und einer Waschmaschine, vor der man während des Waschgangs besser sitzen blieb, wenn man seine Sachen wiederhaben wollte.

Klaus Kirschbaum, Flüchtlings-Mentor in Köln.
Bild: ©Privat

Klaus Kirschbaum ist Flüchtlings-Mentor in Köln und hilft seinen Schützlingen durch den deutschen Behördendschungel.

Die hübsche dunkelhaarige Frau schildert diese Erlebnisse in fließendem Deutsch, schließlich hat sie die Sprache in Albanien studiert. Ein Umstand, der im Asylverfahren von unschätzbarem Wert ist und die Familie außerdem mit ihrem Mentor Klaus zusammengebracht hat. "Als ich mich für dieses Ehrenamt beim Kölner Flüchtlingsrat beworben habe, hatte ich auf eine Familie mit Deutschkenntnissen gehofft", erzählt der ehemalige Politik- und Wirtschaftslehrer.

Der 66-Jährige konnte sich nicht vorstellen nach seiner Pensionierung die Hände in den Schoß zu legen. Da kam der Artikel in der Tageszeitung über das Mentoren-Programm der Kölner Freiwilligen Agentur und des Kölner Flüchtlingsrates gerade recht. Mit 50 weiteren Freiwilligen bewirbt er sich beim Flüchtlingsrat um eine Ausbildung und gehört zu den 25, die das fünftätige Seminar absolvieren dürfen. Kirschbaum lernt viel über das Asylverfahren und die Probleme von Flüchtlingen und sucht sich schließlich unter mehreren Steckbriefen die Familie Gashi aus.

Schwarze Schafe

In den nächsten Monaten begleitet Kirschbaum die Familie zum Sozialamt, zur Sparkasse und zur Grundschule. Er wird zum ersten Ansprechpartner und Vertrauten. "Klaus ist für uns viel mehr als ein Berater, wir sind Freunde geworden", sagt Sara heute dankbar. Er selbst hat schnell erkannt, wie wichtig eine verlässliche Begleitung von Flüchtlingen in Deutschland ist. "Immer wieder hört man von Anwälten, die Asylbewerbern ihre Hilfe anbieten, sich schwarz bezahlen lassen und dann mit dem Geld verschwinden", sagt er.

Sich durch den deutschen Behördendschungel zu schlagen, sei schon für Menschen, die in Deutschland geboren seien eine Herausforderung. Für Asylbewerber sei es unmöglich. "So sind zum Beispiel alle Kinder nach ihrer Ankunft in Nordrhein-Westfalen augenblicklich schulpflichtig, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Woher sollen die Leute das wissen? Und wenn sie es wissen, wie sollen sie die richtige Schule finden, die Anmeldung bewältigen?"

Arleja und Aisel, zwei von den drei Kindern der Familie Gashi.
Bild: ©Privat

Der Nachwuchs der Familie Gashi: Arleja und Aisel sind zwei der drei Kinder.

Saras älteste Tochter Aisel ist sieben Jahre alt und besucht eine Schule im Osten Kölns. In den Morgenstunden lernt sie in ihrer Integrationsklasse die deutsche Sprache und Kultur kennen, den restlichen Vormittag nimmt sie am Schulunterricht teil. "Ich muss sagen, wir haben dort nur gute Erfahrungen gemacht", berichtet Kirschbaum. "Die Lehrer und Schulleiter sind immer offen und freundlich auf Aisel zugegangen."

Auf dem Amt

Im Umgang mit anderen öffentlichen Stellen sieht die Sache anders aus. "Bei einem Besuch auf dem Sozialamt war ich wirklich erschüttert", sagt Kirschbaum. Nicht nur wegen des unfreundlichen Umgangs, sondern auch wegen der mangelnden Unterstützung: So ging Sara zunächst alleine zum Amt, um ein Schülerticket für ihre Tochter zu beantragen. Es wurde abgelehnt, weil sie das vor Beginn des Schuljahres hätte machen müssen. Aber da war sie noch gar nicht in Deutschland. Erst als Klaus sie begleitet, gibt es plötzlich keine Probleme mehr.

Für die Familie Gashi geht es jetzt in die zweite Stufe des Asylverfahrens. Nach ihrer Ankunft in Bielefeld hatte sie zunächst eine Aufenthaltsgestattung bekommen und dann den Asylantrag gestellt. Dieser wurde abgelehnt. "Das ist nichts Ungewöhnliches, sondern passiert in 98 Prozent der Fälle", erklärt Kirschbaum. Danach habe man 14 Tage Zeit, um über einen Anwalt Klage einzureichen. "An diesem Punkt sind wir jetzt, und es dauert ein Jahr bis der Gerichtstermin festgesetzt wird." Bis dahin bleibt der Aufenthaltsstatus unverändert.

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Video: © Caritasverband für die Stadt Köln e. V.

Jugendliche begegnen sich in Kölner Flüchtlingsunterkunft

Die Gashis leben derweil mit rund fünfzig anderen Familien in einem ehemaligen Hotel, die Wohnsituation ist besser als in der ersten Unterkunft: zwei Zimmer, genug Betten für alle, eine eigene Toilette. Die Tochter lebt sich in der Schule langsam ein. "Ihre Lehrer haben zu mir gesagt: Passen Sie auf, in ein paar Monaten spricht sie fließend deutsch", freut sich Sara. Ihr Mann Arian besucht gerade einen Deutschkurs. Sie selbst hofft, irgendwann eine Stelle als Dolmetscherin zu bekommen.

"Nach einem Jahr Duldung darf Sara sich eine Stelle suchen", erklärt Klaus Kirschbaum. Allerdings muss sie Bewerbern aus Deutschland und der EU grundsätzlich den Vortritt lassen. "Mit ihrer besonderen Qualifikation hat sie jedoch mehr Chancen als zum Beispiel ein albanischer Schneider, der mit vielen Osteuropäern um die Plätze in der Textilfabrik konkurrieren muss."

"Hier sind wir sicher"

Wenn Sara Arbeit findet, sich die Familie gut integriert und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht bekommt, kann sie nach sieben Jahren einen Antrag auf Einbürgerung stellen. Damit wäre ihre Zukunft in Deutschland gesichert. Auf diesen Tag hoffen die Gashis, denn auch wenn sie das Heimweh manchmal plagt: "Zurück nach Albanien wollen wir nicht mehr. Hier sind wir sicher."

Von Janina Mogendorf

* Die Namen sind von der Redaktion geändert

Flüchtlings-Mentoren in Köln

Die ehrenamtlichen Mentorinnen und Mentoren unterstützen neu nach Köln zugewiesene Flüchtlingsfamilien. Eine Mentorenschaft dauert sechs Monate und umfasst drei bis fünf Stunden wöchentlich. Das Programm des Kölner Flüchtlingsrates und der Kölner Freiwilligen-Agentur stößt auf großes Interesse, so haben sich in den letzten Monaten sehr viele Freiwillige aus Köln beworben.