"Wir Christen sind wie Tiere und zählen nicht"
Frage: Herr Erzbischof, in Kriegszeiten ein Bistum zu übernehmen, ist keine leichte Aufgabe ...
Barakat: Ich bin in Zaidal geboren und seit 16 Jahren der einzige Priester hier. Während der letzten drei Jahre habe ich die Diözese als Patriarchaladministrator geleitet. Ich kenne alle meine Pfarreien und habe in dieser Zeit viele Menschen kontaktiert. Ohne die Lektionen der letzten drei Jahre wäre es schwieriger. So kennt meine Herde mich und ich kenne sie.
Frage: Beschreiben Sie uns Ihre Herde.
Barakat: Im Bistum leben rund 2.500 syrisch-katholische Familien, viele von ihnen sehr gläubig. Wir haben zehn Priester im Dienst. Neben den Ordensleuten im Mar-Mousa-Kloster bei Nabk leben drei Schwestern von der Gemeinschaft des Heiligen Ephrem in Zaidal. Unsere 13 Kirchen liegen zum Teil weit verstreut oder sind heute durch den Krieg schwer erreichbar. Nicht alle haben einen eigenen Priester. Am entferntesten liegt Palmyra, rund 200 km von Homs, mit der syrisch-katholischen Kirche als einziger Kirche, die christlichen Arbeitern dient. Wir haben ein paar kirchliche Kindergärten im Bistum, für eigene Schulen sind wir zu klein. Aber wir investieren viel in die Katechese.
Frage: Hat der Krieg die Christen der verschiedenen Konfessionen enger zusammengebracht?
Barakat: Nein. Trotz Krieg herrscht immer noch der gleiche Konfessionalismus, sagt jeder, seine Kirche sei die richtige. Zusammen sind wir Christen, aber jede Gruppe schaut zuerst auf sich. Dieser Egoismus ist nicht gut.
Frage: Wie hat der Krieg die Lage in Ihrem Bistum verändert?
Barakat: Seit Kriegsbeginn sind die meisten Menschen aus Homs geflohen, die Christen unter ihnen zumeist ins Wadi Nasara. Wer heute noch in Homs lebt, ist zu arm, um sich eine Wohnung außerhalb leisten zu können. Wir haben den Erzbischofssitz vorübergehend von Homs nach Zaidal verlegt, der größten Pfarrei, auch deshalb, weil Zaidal einfacher zu erreichen ist. In Qaryatayn leben heute keine Christen mehr, viele sind in die Dörfer rund um Homs gekommen und wir müssen sie miternähren. Das Problem dabei ist: Unsere Dörfer hier sind arm. Der Arme kann den Armen nicht helfen. Wir sind kriegsmüde, aber es ist unsere Pflicht zu helfen. Zum Glück gibt es Hilfe von außen, für die wir sehr dankbar sind. Nur sind wir nicht die einzigen, die Hilfe benötigen: Ganz Syrien braucht Hilfe!
Frage: Wie groß ist die Auswanderung nach Europa oder in die USA?
Barakat: Viele Christen haben im Krieg Syrien verlassen, vor allem die Jungen, die vor dem Militärdienst geflohen sind. Aber sie sind nicht glücklich in Europa, und die europäischen Länder haben nichts für sie getan. Sie leben in Camps. Jede Woche kommen Familien zurück nach Syrien, die sagen, dass es besser ist, in Syrien zu sterben, als in Europa zu leben. Von jenen, die im Krieg gegangen sind, werden mehr als die Hälfte bei einem Frieden zurückkehren.
Frage: Haben Sie noch Hoffnung auf diesen Frieden?
Barakat: Noch immer herrscht Krieg, ein Krieg, der tötet. Aber wir müssen immer denken, dass es morgen besser sein wird und übermorgen noch besser. Unsere Regierung ist gut für uns Christen, bis heute haben wir keine Probleme. Man begegnet uns mit viel Respekt und Hilfe. Die europäischen Regierungen kennen die Wahrheit und schweigen, weil sie an das saudische Geld wollen. Wir Christen sind dabei wie Tiere und zählen nicht.
Themenseite: Christenverfolgung
Christen gelten als eine der am stärksten verfolgten religiösen Gruppen weltweit. Oft haben sie unter Repressalien zu leiden. Katholisch.de informiert über alles Wichtige zum Thema.Frage: Was ist denn die Wahrheit?
Barakat: Nicht wir Syrer haben diesen Krieg verursacht. Es sind Kräfte von außen, die dafür zahlen, dass Syrien zerstört und seine Menschen getötet werden. Vor dem Krieg haben Christen und Muslime in Syrien eng zusammengelebt, in gegenseitigem Respekt. Dann kamen Prediger aus Saudi-Arabien, Katar und der Türkei und haben gegen die Christen aufgewiegelt. Statt von Liebe und Frieden predigten sie Hass, entgegen dem Koran. Leider haben die Leute auf sie gehört. So waren wir nicht in Syrien vor dem Krieg. Mit dem wahren Islam lässt es sich gut zusammenleben, nicht aber mit dem neuen, falschen Islam Saudi-Arabiens, der alles tötet. Viele Muslime sind gegen diesen neuen Islam. Sie leiden mehr als wir, weil sie alles verloren haben. Und Europa wird seinen Preis zahlen.
Frage: Inwiefern?
Barakat: Viele, die Syrien Richtung Europa verlassen haben, gehören zum "Islamischen Staat". Sie sind nicht gekommen, um in Europa zu leben, sondern um dort aktiv zu werden. Noch ist es ruhig, aber Europa wird noch viel von ihnen hören. Europa wird einen hohen Preis zahlen für seine Ruhe.
Frage: Was wünschen Sie sich von Europa?
Barakat: Wir wollen Frieden. Helft uns dabei. Helft den Menschen in Syrien, nicht nur den Christen. Aber das will keiner hören. Es braucht Taten, keine leeren Worte.