"Wir verlieren unseren Status"
Der Verband will den türkischstämmigen Mithat Gedik, der im Juli bei der Schützenbruderschaft St. Georg im westfälischen Werl-Sönnern Schützenkönig geworden war, nicht anerkennen, weil er kein Christ ist. Schlimmstenfalls drohe dem Verein der Rauswurf aus dem BHDS, bestätigte Nieborg. "Aber das passiert ja nicht sofort, da wir mit unseren Bruderschaften reden und nicht über sie." Es seien Vorstandssitzungen sowohl des BDHS als auch des betroffenen Vereins anberaumt. "Ich weiß nicht, zu welchem Kompromiss sich alle Beteiligten durchringen", so Nieborg.
Die Sönneraner Schützen hätten ihre Satzung nicht gelesen, und auch der Vereinspräses, der die Königskandidaten absegne, habe wohl nicht darüber nachgedacht, dass Gedik kein Christ ist. Der Verein habe sich für den Fehler beim Dachverband entschuldigt und wolle ihn korrigieren. Die konkreten Möglichkeiten könne und wolle er nicht kommentieren. Laut Statuten scheint nur Gediks Abdankung oder Übertritt zum Christentum möglich.
Der Zentralrat der Muslime kritisiert die Debatte
Für Gedik sei durch die Geschichte deutlich geworden, dass Integration in Deutschland nur oberflächlich funktioniert. "Da ist Deutschland doch noch nicht so weit", sagte er am Wochenende dem "Westfälischen Anzeiger". Auch beim Zentralrat der Muslime (ZDM) stößt die Diskussion auf Unverständnis. So kritisiert der ZDM-Vorsitzende Aiman Mazynek die Satzungen von Schützenvereinen, die nur Christen als Schützenkönige zuließen, als "nicht mehr zeitgemäß". In der Integrationsdebatte werde stets gefordert, dass Muslime sich auch in Feuerwehr, Technischem Hilfswerk und auch Schützenvereinen beteiligen sollen, sagte er. "Wir haben immer gesagt: Integration ist keine Einbahnstraße. An diesem Beispiel wird wieder klar, was damit gemeint ist", so Mazynek.
Der Aussage Mazyneks stimmen auch die Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag zu: "Mit dieser Intervention hat der Dachverband der Schützen den Vogel abgeschossen - im negativsten Sinn", sagte die rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Dagmar Hanses, am Montag in Düsseldorf. Der Verband grenze aus, während von Mitbürgern mit Migrationshintergrund immer wieder Integration eingefordert werde. "Das passt nicht zusammen." Eine Diskussion zu diesem Thema sei längst überfällig. "Tradition darf nicht als Totschlag-Argument missbraucht werden, um Mitmenschen auszugrenzen."
"Ein Stück aus dem Tollhaus"
Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) hat die Beteiligten im Streit um einen muslimischen Schützenkönig nun zu einer schnellen Einigung aufgerufen. "Ich hoffe, dass diese Peinlichkeit zügig aus der Welt geschaffen wird", sagte Schneider am Montag in Düsseldorf. Die Debatte sei "ein Stück aus dem Tollhaus", das von "Provinzialität" zeuge. Es gebe in NRW inzwischen viele Muslime, die Schützen- oder Karnevalskönige seien. Auch gebe es etwa im Ruhrgebiet keinen christlichen Kindergarten, in dem nicht auch muslimische Kinder integriert seien.
Die katholische Schützenbruderschaft stand 2012 schon einmal in der Kritik, als sie beschlossen hatte, dass homosexuelle Schützenkönige und Schützenköniginnen ihre Lebenspartner nicht als Mitregenten wählen dürften. Zuvor hatte ein homosexueller Schütze seinen Lebenspartner mit auf den Königsthron genommen. (som/KNA/dpa)