Wo der Kakao an den Bäumen hängt
Peru, das ist ein Land der Bio-Schokolade, habe ich gehört. Die Inkas – das sind die Ureinwohner dieses Landes in Südamerika – haben Kakao schon vor 3.000 Jahren angebaut. Das hat mich neugierig gemacht, und ich frage mich, wie schmeckt so eine Kakaofrucht wohl. Und wie lebt es sich dort, wo der leckere Kakao an den Bäumen wächst?
Also mache ich mich auf den Weg. Viele Stunden fliege ich nur über das Meer, dann über viele hohe Berge und über viel grünen Urwald. Kaum gelandet treffe ich Kike, einen sehr netten Peruaner. Kike nimmt mich mit in seinem Auto. Das hat ganz dicken Reifen, damit er überall durchkommt, auch wenn es regnet und die Erde ganz matschig ist. "Hier regnet es fast jeden Tag", erklärt mir Kike. "Trotzdem ist es warm – so ist das in den Tropen. Und nur da, wo es immer heiß und feucht ist, wächst auch der Kakao." Ich schaue mich interessiert um: Überall um uns herum ist es grün und es gibt viele große Bäume. Ganz hinten am Horizont sehe ich hohe Berge. "Das sind die Anden", erklärt mir Kike.
Gelb, rot oder grün – so bunt kann Kakao sein
Wir fahren an großen Bananenstauden und Ananasfeldern vorbei, durch kleine Dörfer hindurch, in denen die Häuser auf Stelzen stehen. "Wegen des Regens", sagt Kike. "So kann es darunter ruhig schlammig werden." Und dann fahren wir mit den Auto mitten durch einen Fluss. Das Wasser ist braun wie Trink-Kakao und plätschert und rauscht. Aber dann haben wir es auf einmal geschafft, und sind am anderen Ufer. Gut gemacht, Kike!
Neben mir im Auto sitzt Francisco, ein Kakaobauer. Er erzählt mir, dass die Kakaofrüchte verschiedene Farben haben können: gelb, dunkelrot oder grün. „Fast so wie Äpfel“, sage ich. "Schau mal da vorne, Auguste", sagt Francisco. Er zeigt auf ein paar kleine Pflanzen mit spitzen grünen Blättern. "Das sind Kakaobäume, noch ganz kleine. Sie brauchen ungefähr drei Jahre, bis Kakao an ihnen wächst", erklärt er. Schließlich biegen wir in ein Dorf ab mit kleinen Häusern aus blau, rot und gelb bemaltem Holz und aus Stein. Am Ende halten wir an einer großen Wiese an, wo auf einem Schild steht: 'Willkommen in Huayhuantillo'. "Das ist der Name unseres Dorfes", sagt Francisco stolz.
Kakao hilft eine Dorfschule zu bauen
"Jede Familie hier in Huayhuantillo hat ihre eigenen Bäume, um die sie sich kümmert", erklären mir Milca und Hans, als wir aus dem Auto aussteigen. Milca ist fünf und will Ingenieurin werden, genauso wie ihr zwölfjährige Bruder Hans. "Umweltingenieur, das ist mein Traumberuf", sagt Hans. "Da kann ich dafür sorgen, dass die Natur gesund bleibt – so wie bei uns in Huayhuantillo." Denn die Kakaobäume hier zählen zu keiner normalen Plantage. Hier wird Bio-Kakao angebaut: Die Bäume werden zwar gedüngt, aber sie werden nicht mit chemischen Pflanzenschutzmitteln besprüht.
Diese würden den Kakao belasten und der Gesundheit schaden. "So schmeckt unser Kakao noch besser", sagt Hans. Und die Plantage hat noch etwas Besonderes. Der Kakao wird mit dem Kakao vieler anderer Familien gemeinsam verkauft, über eine Kooperative, die Naranjillo heißt. Diese sorgt dafür, dass die Bauern mehr Geld für ihren Kakao erhalten. Das Geld kann dann wieder in das Dorf investiert werden. So werden zum Beispiel neue Wasserleitungen oder eine Dorfschule gebaut. Die Kooperative bezahlt davon auch eine eigene Gesundheitsversorgung, denn Ärzte wie bei uns in Deutschland gibt es auf den Dörfern oft nicht.
Glitschig, weiß und bitter – das ist Kakao?
"Milca, ich möchte gerne eine Kakaofrucht probieren", sage ich und nehme eine in meinen Schnabel. "Aber so geht das doch nicht", sagt das Mädchen und schüttelt den Kopf. Francisco hat eine Machete dabei, ein langes Messer, mit dem er eine Kakaofrucht absägt. Dann klopft er ein paar Mal auf die Schale, bis sie bricht. Er biegt sie auf und darunter kommen die Bohnen zum Vorschein, umhüllt von einer glitschigen weißen Schicht. Eine bekomme ich zum Probieren. Ich lutsche die weiße Masse ab wie ein Bonbon – sie schmeckt süß und fruchtig, aber gar nicht wie Schokolade. "Achtung, beiß nicht auf die Bohnen darunter. Sie sind bitter."
Hans erklärt mir, was mit den Bohnen nach der Ernte geschieht. Er führt mich zu einer großen Holzkiste, die neben dem Haus steht. Darin müssen die Kakaobohnen für einige Zeit reifen, damit sie richtig lecker werden. "Fermentation nennt man das", sagt Hans. Dann werden sie auf den Steinboden geschüttet, wo sie in der Sonne trocknen. Francisco hat eine getrocknete Bohne in der Tasche und gibt sie mir. "Du musst nur noch die kleine dünne Schale aufknacken. Die ist wie Haut, und darunter steckt eine braune weiche Substanz", sagt er. Vorsichtig probiere ich. "Ui, die ist ganz schön bitter." Hans lacht. "Das ist die Kakaomasse", erklärt er mir.
Fairer Schokoriegel zu St. Martin
Milca und Hans sind selber schon kleine Kakaoexperten. Schließlich helfen sie ihren Eltern bei der Ernte und wissen wie Kakao weiterverarbeitet wird. In der Fabrik der Kooperative in der Stadt wird die Kakaomasse erhitzt und gemahlen, bis das gelbe Kakaofett – die Kakaobutter – abtropft und das Kakaopulver übrig bleibt. Aus Kakaomasse, Pulver und Butter wird dann mit viel Zucker die Schokolade hergestellt. Der Kakao, der über die Kooperative Naranjillo nach Deutschland kommt, ist auch die Grundlage des fair gehandelten Martin-Schokoriegels von der GEPA – The Fair Trade Company und dem Kindermissionswerk "Die Sternsinger". Den hat Auguste natürlich auch schon probiert – und das nicht nur einmal.
Von Oliver Ristau