Woher kommen Marias ölige Tränen?
Unter Marienfrommen hat sich die "weinende" Muttergottes von Hobbs längst herumgesprochen. Dabei vergoss die Marienfigur der Gemeinde "Our Lady of Guadalupe" erst am Pfingstsonntag erstmals ihre öligen Tränen. Seither kommen immer mehr Menschen, um die über zwei Meter hohe Bronze-Madonna zu bestaunen. Sie wollen Zeuge eines Gotteszeichens sein, lassen sich bekehren oder gehen beichten.
Schon mehrmals sei die Flüssigkeit ausgetreten, berichten Mitglieder der Kirchengemeinde im US-Bundestaat New Mexico. Die Substanz habe zweifelsfrei die chemische Eigenschaft von Olivenöl, rieche zudem aber auch nach einem Parfum - eine Kombination, die Priester gern zur Salbung bei Taufen oder bei der Firmung im Gottesdienst verwenden.
So etwas habe er noch nie gesehen, sagt Pfarrer Jose Segura. Lange habe er mit sich gerungen, tatsächlich zu glauben, was er sehe. Manipulationen von Menschenhand schließt er aus. Überall seien Kameras in der Kirche verteilt, nichts Merkwürdiges ist dokumentiert. Schwindel oder übernatürliches Zeichen? Forscher und Mitarbeiter der Diözese Las Cruces arbeiten seit Wochen an einer Erklärung für das Phänomen.
Im Innern der Madonna nur Spinnweben
An der Spitze der "Ermittler" steht der Oberhirte der Diözese, Bischof Oscar Cantu. Auf der Suche nach plausiblen Erklärungen für die Olivenöl-Tränen ließ er den hohlen Innenraum der Statue untersuchen, fand aber nichts anderes als Spinnweben. Auch der Hersteller der Mariennachbildung wurde kontaktiert, um auszuschließen, dass Wachsreste im Hohlraum die regelmäßigen Flüssigkeitsaustritte erklären könnten. Bischof Cantu scheint ratlos. Im Gespräch mit der örtlichen Zeitung schloss er einen Trick aus. "Wir wüssten nicht, wie das physisch ablaufen sollte", sagt er; "das ist gehärtete Bronze".
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Menschen wollen an göttliche Zeichen glauben, sagt der Journalist und Autor John Thavis, der 2015 das Buch "The Vatican Prophecies" vorlegte. Der Glaube an das Hineinwirken Gottes in die Welt durch übernatürliche Zeichen gehöre zur Tradition der katholischen Kirche. Es wecke "Neugier und Begeisterung, wenn so etwas passiert". Gläubige fühlten sich angezogen, weil sie, so Thavis, daran glauben, dass "Gott eine direkte Verbindung" zu ihnen herstellen will. Oft genug positioniere sich der Vatikan weder dagegen, noch unterstütze er solche Phänomene. Das Risiko sei zu groß, dass solche "Wunder" später als Schwindel entlarvt oder wissenschaftlich erklärt werden könnten.
Andererseits überliefere die Kirchengeschichte übernatürliche Ereignisse, die der Fürsprache der Muttergottes zugeschrieben werden. So etwa der große Brand 1194 in der Kathedrale von Chartres, bei dem das dort verehrte Mariengewand fast unversehrt erhalten blieb. Doch es gibt auch die Gegenbeispiele: In mindestens zwei prominenten Fällen, bei denen Maria scheinbar Bluttränen "geweint" habe - 1986 in Kanada und 2006 in Italien - ergab die Laboranalyse, dass das Blut vom Besitzer der Statuen stammte. Bei Marienstatuen aus Holz kann beigemischtes Öl durchaus durch Veränderungen der Raumtemperatur zu Tränenbildung führen, argumentieren Wissenschaftler.
Bistum schließt menschliche Manipulation aus
Der Fall Hobbs liegt aber anders. Die Maria ist aus Bronze und innen hohl. Speichermöglichkeiten für Flüssigkeiten jeder Art gibt es nicht. Derzeit schließt die Diözese Las Cruces menschliche Manipulationen aus, hält sich aber mit einem endgültigen Urteil über die wunderlichen Vorfälle zurück - und lässt das Wunder weiter untersuchen.
Übernatürliche Phänomene können ja durchaus positive Auswirkungen für die Kirche haben; etwa zu vertieftem Glauben führen. Zu den Kehrseiten solcher "Marienwunder" kann kommerzieller Missbrauch zählen; zum Beispiel, wenn die "Tränen" verkauft werden. Bischof Cantu will das Weinen der Maria von Hobbs möglichst schnell aufklären. Es wäre sein letzter Dienst in New Mexico. Denn Papst Franziskus hat ihn nach San Jose in Kalifornien geschickt. Schon im September soll er dort seine neue Stelle antreten.