Würste, Wärme und tröstende Worte
Noch warten sie draußen in der Kälte. Auf dem Bürgersteig am Bundesplatz, mitten im bürgerlichen Berliner Stadtteil Wilmersdorf, bildet sich eine Schlange. Es sind Menschen, die jeden Cent mehrfach umdrehen müssen. Manche von ihnen sind obdachlos, die meisten leben von Hartz IV. Jeden Nachmittag im Winter öffnet für sie die "Wärmestube" der Caritas. Ehrenamtliche Mitarbeiter halten hier etwas Warmes zu trinken, eine Mahlzeit oder ein offenes Ohr für ihre Gäste bereit.
Unter den Wartenden sind Alex und Hans. Alex, kräftig gebaut, mit grauem Bart ist 63 Jahre alt und kommt ursprünglich aus Brandenburg. Seit über 15 Jahren lebt er in Berlin, und mehrere Jahre schon kann der gelernte Maurer keinen Job mehr finden; er lebt von Hartz IV. Auch Hans, 65 Jahre alt, eher schmächtig, mit grauem Kapuzenpulli, hat ein ähnliches Schicksal: Über 21 Jahre ist der gelernte Bäcker ohne Job, war zwischenzeitlich sogar wohnungslos.
"Auf dem Abstellgleis"
"Wir sind dankbar über jede Mahlzeit und jeden Kaffee", sagt Hans, und Alex pflichtet ihm bei. Alles werde teurer, und mit dem Hartz-IV-Regelsatz werde es immer schwerer, über den Monat zu kommen. "Am gesellschaftlichen Leben können wir nicht teilhaben, es ist wie auf einem Abstellgleis zu sein", ergänzt Hans. Caritas-Mitarbeiterin Elzbieta Stolarczyk bestätigt: "Manche Menschen fallen einfach raus aus dem Leben."
Seit über 20 Jahren besteht die "Wärmestube" der Caritas. Stolarczyk, deren Leiterin, hat beobachtet, dass "viele, die zu uns kommen, die Fähigkeit verloren haben, wieder von alleine auf die Beine zu kommen". Die wenigsten seien obdachlos, viele leben in einer einfachen Wohnung oder einem Wohnheim, weiß die 64-Jährige. In die Bedürftigkeit gerutscht seien viele durch Arbeitslosigkeit, Abhängigkeit oder einen Schicksalsschlag. "Arm werden, das passiert schneller, als es einem lieb ist. Aber da wieder rauszukommen, ist umso schwieriger."
140 Kilo Aufschnitt, 60 Kilo Käse, 50 Kilo Quark und 320 Kilo Brot - Stolarczyks Liste, die den monatlichen Bedarf der "Wärmestube" aufzählt, ist lang. Mit Geld der Caritas, des Bezirksamtes und privaten Spenden wie Lebensmitteln von der Berliner Tafel kommt die Einrichtung aus. Täglich können so bis zu 75 Menschen mit einer Mahlzeit versorgt werden. "Besucher" oder "Gäste" bezeichnet Stolarczyk die Bedürftigen.
Hinweis
Die "Wärmestube" der Caritas am Bundesplatz in Berlin hat Montag bis Freitag von 15.30 bis 18 Uhr geöffnet und bleibt noch bis 31. März 2016 in Betrieb. Sie ist angewiesen auf Spenden. Gebraucht werden vor allem haltbare Lebensmittel und Konserven, Kaffee und Tee, Geschirr und Besteck. Infos und Absprachen unter: (030) 857 84-0.Viele der Besucher kommen nicht nur, weil sie Hunger haben, weiß Stolarczyk. Die "Wärmestube" biete soziale Kontakte und ein Stück weit Teilhabe. "Uns ist es wichtig mal rauszukommen und unter Menschen zu sein", bestätigt Alex, der den vierten Winter in Folge die "Wärmestube" aufsucht. Und Hans bestätigt: "Die Wärmestube bestimmt meinen Tagesrhythmus." Oft bleibt er hier bis zum Abend. Viele der Besucher spielen Karten, unterhalten sich bei einem Tee oder bekommen von den ehrenamtlichen Mitarbeitern Rat und Unterstützung.
"Denn man gibt etwas und bekommt etwas zurück"
Fast drei Dutzend ehrenamtliche Helfer hat die "Wärmestube". Eine von ihnen ist Maria Jacker. Die Berlinerin war früher in der Versicherungsbranche tätig. Seit zwölf Jahren nun legt sie Aufschnitte zurecht, schneidet Käse für die Auslage oder macht sonst alles, was anfällt. Einmal in der Woche ist sie hier, immer am Dienstagnachmittag. "Es ist schön, anderen zu helfen", sagt die 79-Jährige. "Denn man gibt etwas und bekommt etwas zurück: Freude und Dankbarkeit." Wobei es auch anstrengende Tage gebe; gerade an der Essensausgabe gehe es hin und wieder mal schroff zu. "Man braucht auch mal eine dicke Haut", sagt Jacker.
Der 65-jährige Hans steht in der Schlange vor der Theke und bestätigt den mitunter ruppigen Umgang unter den Hilfesuchenden. Auch Wärmestube-Leiterin Stolarczyk beobachtet häufig, wie sich einige vordrängeln oder ihre Teller regelrecht vollladen. "Sie sind einfach hungrig", vermutet sie. Der ehrenamtliche Koch Lothar Trost freut sich dagegen, wenn sich die Besucher ein zweites Mal anstellen und nach Nachschlag fragen. Es ist ein Zeichen, dass er in den Töpfen richtig "improvisiert" hat. "Ich freue mich, wenn es anderen schmeckt."