Christen und Muslime schreiben ein "Lexikon des Dialogs"

Zwei Religionen, ein Wörterbuch

Veröffentlicht am 25.09.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Das Dach der Yavuz Sultan Selim Moschee in Mannheim. Die Moschee liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zur katholische Liebfrauenkirche. Minarett und Kirchturm ragen in den blauen Himmel.
Bild: © KNA
Religion

München ‐ Im Anfang war - ein Missverständnis. Christliche und islamische Theologen wollten sich 2005 bei einem Symposium in Ankara über "Menschenwürde" unterhalten und brachten damit die deutsch-türkischen Übersetzer ins Schwitzen. Was fehlte: ein Wörterbuch für die Grundbegriffe der jeweiligen Religion. Aus der Not wurde eine Idee geboren und aus dieser ein in dieser Form bisher noch nicht dagewesenes Projekt.

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Nach sieben Jahren des Ringens um Begriffe und Bedeutungen in etlichen Redaktionssitzungen präsentierte die Eugen-Biser-Stiftung am Dienstag in München ihr "Lexikon des Dialogs", zunächst in seiner deutschen Fassung. In wenigen Wochen soll die türkische Version folgen.

Was heißt "Seele" auf Türkisch, wie macht man einem Muslim klar, was ein christliches Sakrament ist - und darf man "Allah" eigentlich übersetzen? Mit diesen Problemen mussten sich die rund 50 türkischen und 25 deutschen Autoren herumschlagen. Herausgekommen ist ein zweibändiges Kompendium. Auf rund 850 Seiten werden 660 Stichworte abgehandelt, von A wie Abendmahl bis Z wie Zorn Gottes.

Nicht nur für Fachleute

Zu einigen Begriffen finden sich je eine christliche und muslimische Erläuterung nebeneinander. Im Laufe der Arbeit zeigte sich aber auch, dass sich in der religiösen Gedankenwelt des Gegenübers oder auch in dessen Muttersprache keine angemessene Entsprechung finden lässt - also mussten sprachliche Neuschöpfungen her.

Das Lexikon wendet sich nicht nur an Fachleute. Auch Oberstufenschüler, Lehrer, Erwachsenenbildner oder Entscheider in Politik und Wirtschaft sollen damit solide Informationen auf wissenschaftlicher Basis an die Hand bekommen, um das bisher Fremde besser verstehen zu können.

Bild: ©Eugen-Biser-Stiftung

Das Lexikon des Dialogs ist ein Projekt der Eugen-Biser-Stiftung und im Herder Verlag erschienen.

Hauptherausgeber Richard Heinzmann (80), emeritierter christlicher Religionsphilosoph in München und Verwalter des geistigen Nachlasses von Eugen Biser, ist selbst überrascht, welche Erkenntnisse er bei der jahrelangen Arbeit an dem Nachschlagewerk gewonnen hat: Etwa dass der vielfach als Schlagwort kursierende "Dschihad" nicht einfach mit dem von Päpsten in der Kreuzzugszeit geprägten Kampfbegriff "Heiliger Krieg" gleichgesetzt werden dürfe. Dschihad meine vielmehr zunächst und zuerst eine individuelle geistliche Anstrengung des Muslims im Sinne von Selbstdisziplin oder auch Askese.

Prominente öffentliche Geldgeber haben sich das Pionierprojekt etwas kosten lassen: die Europäische Union, der Bundestag, das Bundesinnenministerium sowie mehrere Stiftungen. Das liefert einen Hinweis darauf, wie sehr die Politik die Bedeutung des interreligiösen Dialogs für das Gelingen von Integration ernst nimmt. Immerhin leben mehr als drei Millionen Muslime türkischer Abstammung in Deutschland.

Englische Version in Vorbereitung

Heinzmann ist wie Hans Küng überzeugt, dass es ohne ein friedliches Miteinander der Religionen keinen Weltfrieden geben kann. Und er glaubt, die drei monotheistischen Religionen Christentum, Judentum und Islam könnten viel zur Überwindung von Spannungen beitragen, wenn sie noch mehr ihre gemeinsamen Wurzeln entdeckten: nämlich die enge Verbindung von Gottes- und Nächstenliebe . Das Wörterbuch sei da nur ein Schritt, wenn auch kein unwichtiger, auf einem weiten Weg.

Experten wie der an der Päpstlichen Gregoriana lehrende Islamwissenschaftler und Jesuit Felix Körner sehen im Nachschlagewerk einen Meilenstein - mit Einschränkungen. Der türkische Islam, gerade in seiner vergleichsweise modernen Interpretation durch die theologische Fakultät seiner Hauptstadtuniversität, ist nicht gerade repräsentativ für die muslimische Welt. Auch ist noch offen, ob das Lexikon ins Arabische übertragen wird, was zu Beginn des Projekts fest geplant war. Eine englische Fassung ist allerdings schon in Vorbereitung.

Das Wörterbuch ist eine erste greifbare Frucht des "Dialogs aus christlichem Ursprung", dem sich die Biser-Stiftung verpflichtet weiß. Dieser müsse jetzt aber auch weitergehen, betont Heinzmann: in Klassenzimmern und Hörsälen, Büros und Behördenstuben - nicht nur in Deutschland.

Von Christoph Renzikowski (KNA)

Hinweis

Das "Lexikon des Dialogs. Grundbegriffe aus Christentum und Islam", Herausgeber Richard Heinzmann mit Peter Antes, Martin Thurner, Mualla Selcuk und Halis Albayrak, umfasst zwei Bände. Erschienen ist es im Herder-Verlag Freiburg 2013 und kostet 38 Euro.