Zweikampf ums Präsidentenamt
Zum Interview mit Maria Flachsbarth
Zum Interview mit Thomas Sternberg
Frage: Frau Flachsbarth, Sie sind von Hause aus ausgebildete Tierärztin. Was hat Sie bewogen, in die Politik einzusteigen?
Flachsbarth: Eigentlich haben mich meine Lehrer im Gymnasium darauf gebracht, weil ich von denen gelernt habe: Politik passiert immer - dem kann man sich nicht entziehen. Der Unterschied zwischen Demokratie und Nichtdemokratie ist nur, dass man sich in einer Demokratie einbringen kann und mitgestalten kann - oder eben nicht. Und das war nie meins: Dinge einfach nur mit mir geschehen zu lassen.
Frage: Als CDU-Abgeordnete für Hannover-Land sind Sie in einer evangelisch geprägten Gegend zu Hause. Verändert das die Einstellung zu Kirche und Glauben?
Flachsbarth: Ja, vor allem bekommt man einen Blick für das, was wirklich wichtig ist. Ich habe bei der Erziehung unserer beiden Kinder die Erfahrung gemacht, dass es viele Menschen gibt, die sich überhaupt nicht mehr zur Kirche hingezogen fühlen. In einer Gesellschaft, in der das Christentum mehr und mehr verdunstet, ist es wichtig, die christliche Botschaft über Konfessionsgrenzen hinweg zu leben. Dennoch bin ich fest in meiner Kirche verankert. Das hat auch viel mit Liturgie zu tun, und da bin ich eben katholisch durch und durch. Ich finde die Protestanten aber sehr, sehr sympathisch - mein Mann, mit dem ich seit 25 Jahren verheiratet bin, ist zum Beispiel einer.
Frage: Was reizt Sie an der Aufgabe der ZdK-Präsidentin?
Flachsbarth: Ich bin gebeten worden, ob ich mir das vorstellen könne. Und ich habe mich dem lange verwehrt, weil mein Leben zurzeit ausgefüllt genug ist. Auf der anderen Seite: Ich bin seit vier Jahren Präsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbundes. Wir fordern mit Nachdruck mehr Gleichberechtigung von Mann und Frau in den verschiedenen Strukturen der Kirche. Und dann ist es schwierig, wenn sich für die Kandidatur für das ZdK-Präsidentenamt keine Frau zur Verfügung stellt, obwohl ausdrücklich eine gesucht wird. Da fühlte ich mich in der Pflicht.
Frage: Macht es einen Unterschied, ob das Amt in weiblicher oder männlicher Hand ist?
Flachsbarth: Frauen sind nicht die besseren Menschen, Frauen sind aber anders als Männer. Es gibt Unterschiede in der Sichtweise von Frauen und Männern auf die Welt, wir haben andere emotionale Zugänge, andere Erfahrungshorizonte, andere Lebenswelten - zum Beispiel bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Frage: Wie bringen Sie Kinder und Karriere unter einen Hut?
Flachsbarth: Mein Weg wäre nicht denkbar ohne die Hilfe meines Mannes, der unsere Jungs in weiten Strecken allein erzogen hat - wie ich finde, ganz gut. Wir haben diesen Lebensweg nicht bewusst geplant, es haben sich Möglichkeiten ergeben, über die wir immer gemeinsam entschieden haben. Das würde ich mir auch allgemein für Familien wünschen: Dass sie Lebenswege beschreiten können, so wie es zu ihnen passt.
Frage: Was sind die dringendsten Herausforderungen für die Kirche?
Flachsbarth: Ich denke, dass der Dialogprozess zwischen Bischöfen und Laien, der jetzt in Würzburg zu einem Abschluss gekommen ist, weitergeführt werden sollte. Um auch nach außen sichtbar gemeinsam Kirche zu sein und Politik und Gesellschaft zu zeigen, was uns antreibt. Gerade in einer Gesellschaft, die manchmal sehr konsumorientiert und ich-bezogen ist, sind christliche Inhalte notwendiger denn je. Es kommt darauf an, dass wir unser Christentum gemeinsam authentisch leben.
Frage: Ärgert es Sie, dass Frauen in der katholischen Kirche kein geistliches Amt bekleiden dürfen - nicht einmal das der Diakonin?
Flachsbarth: Wenn wir die Rolle der Frau in der Kirche bedenken, kommt es vor allem darauf an, was in der Gemeinde vor Ort passiert. Kommunionunterricht, Betreuung von alten Menschen, von Flüchtlingen - sehr, sehr häufig übernehmen das Frauen. Wenn Menschen etwas erfahren über die Liebe Jesu Christi, dann kommen ihnen Frauen entgegen. Es ist eine Frage des geschwisterlichen Umgangs in der katholischen Kirche, wenn wir darüber sprechen, dass es mehr Frauen auch in Führungspositionen geben sollte. Deshalb freue ich mich, dass das ZdK das Anliegen des Diakonats der Frau unterstützt - zum Beispiel durch den jährlichen "Tag der Diakonin".
Frage: Sind Sie zufrieden mit den Ergebnissen der Familien-Synode?
Flachsbarth: Sie geben genug Raum für Entscheidungen des Papstes. Der Weg ist beschritten in die richtige Richtung. Man spricht vorbehaltloser über diese Fragen - auch wenn man sich eine weitere Öffnung wünscht, wie etwa die Zulassung zu den Sakramenten bei wiederverheirateten Geschiedenen.
Frage: Wie können ZdK und Bischofskonferenz bei Reizthemen zusammenfinden - etwa bei der Segnung homosexueller Partnerschaften?
Flachsbarth: Wir müssen diese Frage weiter gemeinsam bedenken. Will Gott den Menschen so, wie er ihn geschaffen hat, auch mit seiner sexuellen Orientierung? Papst Franziskus hat gesagt: "Wer bin ich, dass ich urteilen würde über diesen Menschen." Wichtig ist mir, dass wir nicht versuchen, Ehe und homosexuelle Partnerschaft gegeneinander auszuspielen. Das sind tatsächlich unterschiedliche Dinge.
Zur Person: Maria Flachsbarth
Die CDU-Politikerin Maria Flachsbarth (52) ist seit Dezember 2013 Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium. Sie wurde 1963 im westfälischen Lünen geboren und wuchs im ostwestfälischen Verl auf. 1980 trat sie in die Junge Union ein, seit 1991 ist sie Mitglied der CDU. 1982 bis 1987 studierte sie Tiermedizin an der Tierärztlichen Hochschule Hannover und schloss 1990 mit der Promotion ab. 2002 wurde Flachsbarth CDU-Bundestagsabgeordnete für Hannover-Land. 2009 bis 2013 war sie Beauftragte für Kirchen und Religionsgemeinschaften der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, seit Oktober 2011 ist sie Präsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbundes und Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Sie ist verheiratet und hat zwei Söhne. (KNA)Frage: Sehen Sie eine Chance die eher konservativen Katholiken für sich zu gewinnen, die etwa dem "Forum deutscher Katholiken angehören"?
Flachsbarth: Ich bin gern zum Dialog bereit, weiche keinem Gesprächswunsch aus. Deshalb versuche ich zum Beispiel auch, allen, die mir schreiben, eine Antwort zu geben - auch Zuschriften aus diesem sehr konservativen Milieu beantworte ich.
Frage: Inwieweit ist die Kirche für die Politik wichtig?
Flachsbarth: Wichtig ist, dass die Kirche dann ihre Stimme erhebt, wenn es um den Schutz des Lebens geht, um die Armen und Schwachen der Gesellschaft. Die Kirche stellt sich bewusst auf deren Seite und das ist aus meiner Sicht völlig unverzichtbar - gerade momentan im Hinblick auf die Flüchtlingspolitik.
Frage: Was bedeutet der Glaube persönlich für Sie?
Flachsbarth: Er gehört zu meiner Person, und ich bin in meiner Kirche zu Hause. Als Politikerin bin ich dankbar dafür, nicht alles im letzten lösen zu müssen. Jesu Wort aus dem Matthäusevangelium: "Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid" - das hilft sehr angesichts der Vielzahl von Problemen, die die Kräfte des Einzelnen übersteigen.
Frage: Was machen Sie in Ihrer Freizeit? Ich habe da auf Ihrer Homepage einige Kochrezepte entdeckt ...
Flachsbarth: Ja, ich koche sehr gern. Das gemeinsame sonntägliche Mittagessen ist sehr wichtig in unserer Familie. "Herdanziehungskraft" heißt das bei uns, da kommen dann auch unsere beiden Söhne dazu, die 20 und 22 Jahre alt sind. Wir reden miteinander, wir diskutieren politische und kirchliche Themen. Meine Jungs sind da grundsätzlich wohlwollend, aber durchaus kritisch.
Das Interview führte Nina Schmedding (KNA)
Frage: Herr Professor Sternberg, Sie sind Akademie-Direktor, Theologe, Germanist, Kunsthistoriker und Politiker. Aber auch gelernter Bäcker. Was empfinden Sie, wenn Sie in einer Bäckerei Brotgeruch umweht?
Sternberg: Das ist für mich Heimat. Wir hatten einen kleinen Familienbetrieb. Dort bin ich sehr gerne Bäcker gewesen. Aus Gesundheitsgründen bin ich aufs Abendgymnasium gegangen. In den Ferien und an Wochenenden habe ich aber immer mitgearbeitet.
Frage: Wie sind Sie zur Theologie gekommen?
Sternberg: Ich komme aus einem sehr kirchlichen Elternhaus. Mein Vater war vor dem Krieg im Kloster, ein Onkel Pfarrer, eine Tante Nonne und zwei Tanten Pfarrhaushälterinnen. In der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils habe ich als junger Mensch rege Diskussionen erlebt. Von daher rührt mein Interesse für Theologie - neben meiner Leidenschaft für Kunst und Germanistik.
Frage: Sie leiten jetzt 27 Jahre lang die katholische Akademie in Münster. Wo steht denn die Kirche?
Sternberg: Früher war die Hälfte der Bevölkerung evangelisch und die andere katholisch. Heute haben beide Konfessionen jeweils nur 30 Prozent - und über 40 Prozent mit den Kirchen nichts zu tun. Die Zeiten der Volkskirche sind noch nicht völlig vorbei. Aber wir erleben doch eine große Pluralisierung. Und dann hat die katholische Kirche auch noch viel Vertrauen verloren in den letzten Jahren. Kirchliche Stellungnahmen werden heute kritischer aufgenommen als früher.
Frage: Wie kann es da mit der Kirche weitergehen?
Sternberg: Früher ging man sonntags zur Kirche - oder wurde schräg angeguckt. Diesen gesellschaftlichen Druck gibt es nicht mehr, jeder muss sich für seinen Weg entscheiden. Und da wird das Christentum als ein Angebot verstanden. Ich bin optimistisch. Als dienende und hörende Kirche sind wir gefragt, werden auch heute gebraucht.
Linktipp: Glücks Momente
Auch wenn sechs Jahre für die kirchliche Zeitrechnung eine eher kurze Spanne sind, hinterlässt Alois Glück tiefe Spuren. Wenn der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken am Freitag abtritt, dann werden mindestens zwei Momente in Erinnerung bleiben - Glücks Momente.Frage: Mit welchem Programm treten Sie zur Wahl als ZdK-Präsident an?
Sternberg: Eines vorweg: Ich mache keine Kampfkandidatur. Ich bin von etlichen ZdK-Mitgliedern gebeten worden, mich zur Wahl zu stellen. Und wenn Frau Flachsbarth gewinnt, werde ich gratulieren. Aber ein bisschen Wettbewerb tut dem ZdK gut; erstmals gibt es ja überhaupt zwei Kandidaten. Von Alois Glück das Amt zu übernehmen - das sind verdammt große Schuhe...
Frage: Aber wenn die an Ihren Füßen hängen, was haben wir zu erwarten?
Sternberg: Im ZdK gibt es Reformbedarf, nicht zuletzt was die Mitwirkung der Mitglieder angeht. Neben Präsidium und Hauptausschuss gibt es die Vollversammlung, die zweimal im Jahr zusammenkommt. Deren Tagesordnung lässt für Teilhabe der Mitglieder nur wenig Raum. Sie müssen mehr in die Entscheidungsprozesse einbezogen werden - vielleicht auch durch neue Medien.
Frage: Das sieht nach interner Reform aus.
Sternberg: Auch nach außen hin muss sich das ZdK neu aufstellen. Wir müssen als Katholiken in Deutschland unsere Standpunkte vortragen. Die EKD nimmt synodal Stellung; in politischen Fragen sollten wir öfter gemeinsam mit der Deutschen Bischofskonferenz auftreten. Und statt langer Verlautbarungen bedarf es einer Kommunikation, die aktueller, frischer und knapper daherkommt und einer veränderten Medienlandschaft entspricht.
Frage: Welche Rolle soll denn das ZdK in der Gesellschaft spielen?
Sternberg: Die Stimme der katholischen Frauen und Männer wird durchaus gehört. So hat das ZdK beim Thema Suizid-Beihilfe die Debatte mitgeprägt. Oder nehmen Sie das neue Papier zum Freihandelsabkommen, wo Kriterien genannt sind, an denen ein solches Abkommen aus christlicher Sicht zu messen ist. Unsere Stimme muss immer häufiger gemeinsam und ökumenisch sein - und da, wo es geht, auch mit anderen Religionen abgestimmt sein.
Frage: Inwiefern?
Sternberg: Wir müssen mit den religiösen Kräften in unserer säkularen oder auch nur gleichgültigen Gesellschaft den Schulterschluss suchen, vor allem mit den evangelischen Mitchristen, so wie 1997 beim gemeinsamen Sozialwort. Aber auch die so wichtige Zusammenarbeit des ZdK mit Juden und Muslimen wird noch wichtiger werden.
Zur Person: Thomas Sternberg
Der Sauerländer Thomas Sternberg wurde 1952 geboren. Nach einer Bäcker-Lehre im elterlichen Betrieb absolvierte er 1974 am Abendgymnasium in Neuss sein Abitur. Er studierte Germanistik, Kunstgeschichte und Theologie in Münster, Rom und Bonn. 1983 wurde er im Fach Germanistik mit einer Arbeit zur Lyrik Achim von Arnims promoviert, 1988 im Fach Christlicher Archäologie über die Sozialeinrichtungen des 4. bis 7. Jahrhunderts. Sternberg, Vater von fünf Kindern, leitet seit 1988 die Katholisch-Soziale Akademie Franz Hitze Haus in Münster. An der dortigen Uni ist er seit 2001 Honorarprofessor für Kunst und Liturgie. Sternberg trat 1974 in die CDU ein und gehörte von 1989 bis 2004 dem Stadtrat in Münster an. Seit 2005 ist er Abgeordneter im nordrhein-westfälischen Landtag. Er ist kultur- und medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Auch im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist er kulturpolitischer Sprecher. (KNA)Frage: Wie wollen Sie mit den Bischöfen klarkommen?
Sternberg: Nicht wenige Laien haben nach dem Konzil den Eindruck gehabt, dass Reformen auf halbem Wege stecken geblieben sind. Sie haben sich daran wund gerieben, auch noch den letzten Bischof zu überzeugen. Diese Frontstellung - hier die Laien und dort die Bischöfe - gibt es so nicht mehr. Wir haben es heute mit einer pluralen Bischofskonferenz und auch mit einem pluralen Laienkatholizismus zu tun. Hier sind Dialog und gemeinsame Aktionen angesagt, um in die Gesellschaft hineinzuwirken. Aber auch beim «gemeinsam Kirche sein» wird es auch immer jemanden geben, der nicht mitmachen will.
Frage: Apropos Pluralität: Was halten Sie denn vom Forum Deutscher Katholiken, das sich viel papsttreuer wähnt als das ZdK?
Sternberg: Papsttreue scheint vielen früher wichtiger gewesen zu sein als bei den aufrüttelnden Äußerungen von Papst Franziskus. Das Forum ist eine kleine Gruppe, deren Versuch gescheitert ist, eine Parallelstruktur zum ZdK aufzubauen. Viele haben eine falsche Wahrnehmung des ZdK, das offen für alle ist.
Frage: Auf der linken Seite des Spektrums gibt es die Kirchenvolksbewegung...
Sternberg: Die Kirchenvolksbewegung versammelt viele von jenen, die sich wund gerieben haben. Ihre Anliegen werden aber seit vielen Jahren auf Katholikentagen und im ZdK thematisiert. In gewisser Weise hat sich das überholt.
Frage: Noch mal zu den Bischöfen. Die hat das ZdK mit dem Vorschlag für einen Segen für gleichgeschlechtliche Paare ganz schön verärgert.
Sternberg: Es war wohl nicht klug, in unserem guten und lesenswerten Familienpapier in einem Satz so verschiedene Segnungen für gleichgeschlechtliche Paare, für wiederverheiratete Geschiedene und für Ehejubilare zu vermischen. Aber an den Themen bleiben wir und suchen das konstruktive Gespräch.
Frage: Nach zwei Präsidenten an der ZdK-Spitze wünscht sich mancher nun eine Frau.
Sternberg: Mit Frau Waschbüsch hatten wir auch schon eine Präsidentin. Die Themen Frauen in kirchlichen Positionen und Frauendiakonat sind für uns von großer Bedeutung. Es gibt zudem neben dem Präsidentenamt zwei starke Vizepräsidentinnen.
Frage: Wie bekämen Sie noch ein weiteres Amt unter den Hut?
Sternberg: Falls ich gewählt würde, gäbe ich die Akademie-Leitung ab. Mein Landtagsmandat werde ich behalten.
Das Interview führte Andreas Otto (KNA)