Ein Besuch bei den katholischen Verlagen auf der Frankfurter Buchmesse

Zwischen Mission und kritischer Distanz

Veröffentlicht am 14.10.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Literatur

Frankfurt ‐ "Vorsichtig optimistisch" ist die Stimmung in der katholischen Buchlandschaft. Jeder Verlag hat seine eigene Strategie, mit der langjährigen Branchenkrise umzugehen. Ein Besuch auf der Frankfurter Buchmesse.

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Schon am ersten Tag der Frankfurter Buchmesse sind die riesigen Messehallen voller Menschen: Buchhändler, Verleger und Autoren, aber auch Journalisten, Studenten und andere Interessierte drängen sich auf den engen Gängen. Bis Sonntag werden sich etwa 270.000 Besucher an den Ständen der mehr als 7.000 Aussteller über die Neuerscheinungen und Trends des Buchmarkts informieren. In den Messehallen herrscht fast überall lautes Stimmengewirr. Kommt man jedoch in den Ausstellungsbereich der kirchlichen Verlagshäuser, wird es mit einem Mal ruhiger. Für die katholischen Verlage scheinen sich die meisten Besucher der Buchmesse nicht zu interessieren. Dafür ist dort in der Ecke einer der Frankfurter Messehallen die Dichte an Mönchen, Nonnen und Priestern am höchsten.

Auch wenn auf der Buchmesse mehr Menschen etwa dem Bestsellerautor Ken Follett als dem Vatikanjournalisten Stefan von Kempis zuhören, ist die Stimmung in der katholischen Buchlandschaft durchweg positiv – oder "vorsichtig optimistisch", wie es Willi Krug vom St. Benno-Verlag ausdrückt. Natürlich leide auch der religiöse Buchmarkt unter der langjährigen Krise der ganzen Branche. Doch jeder Verlag hat seine eigene Strategie, damit umzugehen. "Man muss sich permanent neu erfinden, um auf dem religiösen Buchmarkt eine Chance zu haben", sagt Krug. Das hat der in Leipzig ansässige Benno-Verlag in den letzten Jahren getan: Er setzte den Schwerpunkt seines Geschäftsmodells im Non-Book-Segment. "Wir sind viel im Bereich der Kalender unterwegs", erklärt Krug. In den Regalen des Benno-Messestands stehen daher neben Büchern auch Jahresbegleiter und Kalender sowie christliche Souvenirs. Ein Klassiker sei das "Christliche Hausbuch", das schon zu DDR-Zeiten herausgegeben wurde. "Aber wir verlegen auch humorvolle Dinge, wie einen Klosterbier-Kalender", erzählt Krug, nicht ohne ein Schmunzeln. Diese Angebote verkauften sich gut.

Linktipp: Glauben ohne Geschwätz

Die Kirche ist zu sehr auf sich selbst bezogen, schreibt "Pop-Kaplan" Christian Olding in seinem Buch "Klartext, bitte! Glauben ohne Geschwätz". Doch er zeigt auch, wie sie es besser machen könnte. (Artikel von September 2017)

Ebenso humorvoll sind die Bücher des Karikaturisten Gerhard Mester über Papst Franziskus. Mit einfachen Strichen schildert Mester in seinen Cartoons Geschichten über den Pontifex. Der Verlag hatte den Zeichner vor einigen Jahren angesprochen und für das Projekt gewinnen können. Mittlerweise sind die Postkartenbücher und kleinen Bände so erfolgreich, dass sie sogar im Ausland unter Lizenz verkauft werden. "Die Franziskus-Cartoons sind ein echter Renner", fasst Krug zusammen. Außerdem hat der Verlag zahlreiche Geschenke mit religiösem Hintergrund im Programm. "Wir wollen auch in den säkularen Bereich hinein wirken", sagt Krug. "Dabei halten wir aber nicht verschämt mit unserem Glauben zurück, sondern zeigen ihn." Es gebe eben auch einen "missionarischen Aspekt" in der Tätigkeit des Verlags.

Das Thema Religion spielt auch im Programm vom Herder-Verlag eine große Rolle, schon von der Firmentradition her, sagt Nicola Meier von der Öffentlichkeitsarbeit des Verlags. Mit seiner über 200-jährigen Verleger-Tradition im religiösen Bereich gehört Herder zu den ältesten deutschen Buchfirmen. Trotz oder gerade wegen dieser Geschichte möchte der Verlag nun vermehrt "Platz für die jüngere Generation" bieten. Mit den Büchern des Pfarrers Thomas Frings, der vor einem Jahr seinen Dienst in einer Münsteraner Kirchengemeinde aufgab, und des "Pop-Kaplans" Christian Olding sollen auch kirchenkritische Katholiken erreicht werden. "Wir wollen die Leser dort abholen, wo sie stehen", sagt Meier. Zugleich will Herder Beiträge zu aktuellen Debatten leisten.

Oft nur zusammen mit Spiritualität und Esoterik

Neben diesem theologischen und kirchlichen Angebot setzt der Verlag zunehmend auf gesellschaftliche Themen. Oft haben diese weiterhin einen religiösen Bezug, jedoch nicht nur auf das Christentum, sondern auch zum Islam. Dieses breite Angebot ist auch einer strategischen Überlegung geschuldet: Man wolle bei den Buchhändlern in mehreren Warengruppen präsent sein, erklärt Meier. Denn Religion würde in normalen Buchhandlungen meist zusammen mit den Rubriken Spiritualität und Esoterik nur in einem kleinen Rahmen angeboten. Unter dem breiteren Label "Gesellschaft" gebe es viel bessere Möglichkeiten.

Zudem setzt Herder auf die Digitalisierung,  als Schwergewicht der kirchlichen Verlagsbranche kann er sich das auch finanziell leisten. "Jedes unserer Bücher ist auch als E-Book verfügbar. Es gibt eine eigene Herder-App, in der die Bücher aufgerufen werden können", sagt Meier. Insgesamt seien die Verkaufszahlen sehr stabil und die Situation für Herder am Buchmarkt gut. "Neue Türen gehen auf und die Situation ist anders als vor 20 Jahren." Meiers Kollege Simon Biallowons ist als Programmleiter für die Sparte "Religion und Gesellschaft" bei Herder zuständig und sieht das genauso: "Die früher beliebten Autoren ziehen nicht mehr", erläutert Biallowons. Rupert Neudeck, Jean Vanier und Peter Dyckhoff hätten noch ihre Leserschaft, diese werde jedoch immer älter. "Es ist wie in der Kirche: Heute hört keiner mehr einer Predigt zu, nur weil er immer in den Gottesdienst gegangen ist." Das Buchangebot müsse gerade für junge Leser attraktiv sein. Dafür schaffe es der Verlag mit den bereits erwähnten Büchern von Thomas Frings und Christian Olding in den Bestsellerlisten präsent zu sein – sogar außerhalb der religiösen Nische. Eine neue Entwicklung sei zudem, dass auch die säkularen Verlage religiöse Themen aufgreifen.

Linktipp: "Es gibt Parallelen zwischen Krimis und dem Christentum"

Als Krimiautor darf er, was ein guter Christ nie täte: töten. Georg Langenhorst lässt in seinem neuen Buch "Toter Regens - guter Regens" den Leiter eines Priesterseminars umbringen. (Artikel von September 2017)

Die meisten katholischen Verlage bezeichnen die Gesamtsituation der katholischen Buchwelt als sehr stabil. Jedes Verlagshaus hat aber ein eigenes Patentrezept für den Erfolg: Beim Vier-Türme-Verlag etwa, dem Hausverlag des Benediktinerklosters Münsterschwarzach, ist gerade die Anbindung an das Kloster wichtig. Viele der Leser kämen in die Klosterbuchhandlung oder besuchten Kurse in der Abtei, sagt Charlotte Könne von Vier-Türme-Verlag. Auch der Münsterschwarzacher Mönch Anselm Grün sei immer ein Garant für religiöse Bestseller. Insgesamt setze der Verlag auf eine dezidiert katholische Spiritualität.

Andere katholische Verlage haben mehr Erfolg mit eher "leichterer Spiritualität", wie Thomas Häußner vom Würzburger Echter-Verlag berichtet. Im eigenen Programm gebe es schon seit Jahren neben der fachtheologischen Sparte eine Entwicklung in diese Richtung. "Es geht weg von der konfessionellen Prägung hin zu einer Sinnsuche – manchmal auch über das Christentum hinaus", so Häußner. So seien etwa Adventskalender-Bücher bei den Lesern beliebt. Aber auch ungewöhnlicher Lesestoff, wie die Kirchen-Krimis des Theologieprofessors Georg Langenhorst. Doch Häußner bemerkt, wie viele seiner Kollegen von kleineren und regionalen katholischen Verlagen, dass die Leserschaft geringer und das Geschäft Jahr für Jahr schwieriger wird.

Entgegen dem Trend der Branche verzeichnet die Verlagsgruppe Patmos in den letzten Jahren kontinuierliche Zuwächse. Man achte darauf, den Lesern in einer für sie verständlichen Sprache zu begegnen, erklärt Claudia Lueg von der Verlagsgruppe die positive Entwicklung. "Auch wenn das Klientel kirchenferner und –kritischer werden, bleiben die großen Fragen die gleichen", sagt Lueg. Doch trotz dieser positiven Sicht auf die Situation ist der Geräuschpegel in der Messehalle in Frankfurt auch gegen Ende des Tages nicht gestiegen. Die Gänge zwischen den Messeständen der kirchlichen Verlage beginnen sich zu leeren.

Von Roland Müller

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