Gutes zum Schluss
Schon vor 25 Jahren hat Holz an ein Engagement in der Hospizarbeit gedacht. "Damals ist mein Sohn gestorben", erzählt die 62-Jährige. Ein einschneidendes Erlebnis. Nach seinem Tod hat sie sich vorgenommen, sich – sobald es ihre Zeit erlaubt – um sterbende und kranke Menschen zu kümmern. Vor gut eineinhalb Jahren hat sie schließlich von einem Kurs der Malteser gelesen und den Schritt in einen Bereich gewagt, in dem die Menschen dem Tod oft so viel näher sind als dem Leben.
Wenn Holz zu Gast bei Frau Fischer ist, konzentriert sie sich nur auf die alte Dame. Die ist bettlägerig und spricht kaum noch. Da wird das Nachthemd zurechtgerückt oder eine zärtliche Umarmung ausgetauscht. Nichts geht auf die Schnelle, sondern alles mit der gebotenen Gelassenheit. Während auf der Straße emsiges Treiben herrscht, steht in dem kleinen Zimmer im Klaus-Bahlsen-Haus die Zeit hingegen kurz still. Mit einer grenzenlosen Ruhe hilft Angelika Holz der Patientin beim Essen des Windbeutels. Beim Geschmack des Gebäcks beginnen die Augen der alten Dame zu leuchten. Auch ohne viele Worte weiß Holz, dass sie alles richtig gemacht hat. Ein Dankeschön kann man auch spüren.
Eine fast beschwerdefreie Zeit erleben
Die Wege zur hospizlichen Begleitung sind unterschiedlich, erläutert Christoph Mock, Hospizkoordinator bei den Maltesern in Hannover. Viele Angehörige von schwerkranken Personen würden sich bei den Maltesern, die auch eine palliativmedizinische Beratung anbieten, melden, wenn das Sterben absehbar werde. In manchen Fällen regten auch das Krankenhaus oder das Pflegeheim eine Begleitung an. Momentan betreuen die Hannoveraner Malteser rund 80 Menschen.
Die Arbeit von Hospizen und ehrenamtlichen Hospizhelfern sei eine gutes Angebot, findet der 32-jährige Theologe Mock. Gerade in Kombination mit einer palliativen Betreuung. Denn viele Menschen, die beispielsweise bei einer schweren Krankheit Suizidgedanken äußerten, hätten häufig Angst vor Schmerzen. Aber wer medikamentös gut eingestellt sei, könne auch dann noch eine fast beschwerdefreie Zeit erleben.
"Manchmal kommt man bei dieser Arbeit aber auch an Grenzen", sagt Angelika Holz. Sie selbst halte sich eigentlich für eine "taffe Frau". Doch bei einer Patientin habe sie aufgeben müssen. Die 52-Jährige hatte Lungenkrebs, dazu kam eine psychische Erkrankung.
"Ich war oft bei ihr", sagt Holz stockend. Noch immer fällt es ihr schwer, über das Erlebte zu sprechen. Immer, wenn Angelika Holz von einem ihrer Besuche nach Hause kam, war sie aufgewühlt, sprach dauernd von der Patientin. "Mein Mann konnte es schon nicht mehr hören." In solchen Fällen greifen die Koordinatoren ein, um die Ehrenamtlichen zu schützen. Doch gelernt habe sie viel aus diesem Erlebnis, sagt Holz. Sie weiß jetzt, was sie kann und was nicht. Und dass es keine Schande ist, die Koordinatoren um Hilfe zu bitten.
Enttäuschte Beziehungen, ungelöste Konflikte
Doch das allein reicht nicht. "Man braucht in jedem Fall auch Hobbys", findet Angelika Holz, die sich nebenbei noch in einer Seniorengruppe engagiert. Denn gerade wenn Patienten noch verhältnismäßig jung sind oder deren Kinder noch klein, kann das auch bedrückend wirken.
Manchmal vertrauten einem die Menschen aber auch Dinge an, die sonst niemand aus ihrer Familie kenne, sagt Christoph Mock. Enttäuschte Beziehungen, ungelöste Konflikte, Dinge, die die Menschen ein Leben lang mit sich herum getragen haben und die sie nun – kurz vor ihrem Ende – endlich aussprechen können.
Malteser Hospizarbeit
Bei Interesse an ehrenamtlicher Mitarbeit oder Hospizbegleitung durch die Malteser gibt es Auskünfte unter (0221) 9822-586 oder per E-Mail an Malteser.Hospizarbeit@Malteser.org. Weitere Infos zur deutschlandweiten Hospizarbeit der Malteser auch unter malteser-hospizarbeit.de.Schon während der Ausbildung, die sieben Wochenenden und ein Praktikum umfasst, achten die Hauptamtlichen darauf, dass die Ehrenamtlichen wissen, worauf sie sich einlassen. Einmal im Monat gibt es ein gemeinsames Treffen. "Das habe ich noch nie verpasst", sagt Angelika Holz. Zu wichtig sei der Austausch mit den anderen. Jährlich findet zusätzlich ein gemeinsamer Gottesdienst statt, in dem die Sterbebegleiter noch einmal von ihren Schützlingen Abschied nehmen können. Rund 90 Ehrenamtliche sind in und um Hannover aktiv, davon acht Männer. Noch immer zu wenig, wie Mock findet.
Am Anfang hatte Frau Fischer fast kein Wort mit Hospizhelferin Angelika Holz gesprochen. Heute sagt sie zwar auch noch nicht viel, aber sie reagiert auf Fragen und kleine Geschichten. Und an diesem Freitag ist nach dem Genuss des Windbeutels sogar noch etwas passiert. "Das nächste Mal", erzählt Angelika Holz, "soll ich ein Mettbrötchen mitbringen." Das hat sich die alte Dame gewünscht.
*Name geändert