Alexander Görlach über die Krisen von Islam und wesltlicher Welt

Bis aufs Mark zerstrittene Weltanschauungen

Veröffentlicht am 30.03.2016 um 00:01 Uhr – Von Alexander Görlach – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Alexander Görlach über die Krisen von Islam und wesltlicher Welt

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Nach dem Ende des Kalten Krieges sahen viele eine multipolare Weltordnung anbrechen, mit starken supranationalen Entitäten wie der EU, den G8, den G20, den Vereinten Nationen. Das Gegeneinander zweier bis aufs Mark zerstrittener Weltanschauungen war überwunden - nur um heute wiederzukehren. Wir sind abermals in einer Ära der Konfrontation zwischen zwei Blöcken. Die westliche Welt, ihr Liberalismus, ihr Humanismus, ihr Christentum werden herausgefordert, angefeindet und bekämpft von einer Macht, die für sich das Ideal eines Gottesstaates zum Leitbild gemacht hat: der islamistische Fundamentalismus. Überall in der islamischen Welt sind militante kriegerische Gruppen entstanden, die Minderheiten verfolgen (Christen, Juden, Jesiden, Homosexuelle, Frauen) und töten. Ihr Hass und ihre Gewalt machen auch nicht Halt vor den eigenen Glaubensgeschwistern, die eine moderatere Auslegung des Islam favorisieren. 

Der Politikwissenschaftler Samuel Huntington beschrieb dieses eschatologische Aufeinandertreffen von westlicher und islamischer Welt schon in seinem Bestseller "Der Kampf der Kulturen" als das Harmagedon des 21. Jahrhunderts. Dem Islam attestierte der Autor, blutige Ränder zu haben: überall, wo er auf Christen und andere Religionen und Weltanschauungen stoße, käme es zum Kampf. Seit 1996, nachdem Huntingtons Buch herauskam, nach dem 11. September 2001, nach den Auseinandersetzungen um die Muhammad-Karikaturen im Jahr 2004 und nun auch wieder im Zuge der Flüchtlinge, die aus der islamischen Welt nach Europa kommen, wird dieser kosmische Kampf wieder heraufbeschworen. Wir wissen, wie der Konflikt zwischen der kommunistischen und der freien Welt immer wieder zu Eskalationen führte und die Menschheit für Jahrzehnte in Stockstarre vor dem atomaren Gau versetzte.

Der Islam steckt in seiner tiefsten Krise. Es kann gut sein, dass er daran untergehen und in einigen Jahrzehnten nicht mehr existieren wird. Das gleiche gilt für die westliche Welt, aus unterschiedlichen Gründen. Das freiheitliche, liberale, demokratische Lebensmodell, für das er, der Westen, von den radikalen Killern im Namen Allahs angefeindet wird, trägt er indessen selbst zu Grabe. Durch Unversöhnlichkeit, durch Panik und übertriebene Furcht. Beide Weltanschauungen, die islamische und die westliche (die nicht nur, aber auch christlich ist) stecken für sich in der Krise und müssen sich in die Gegenwart einer globalisierten und digitalisierten Welt hinein übersetzen.

Der Kapitalismus ist im Kalten Krieg nicht untergegangen, weil wir alle - auf Kosten der nachkommenden Generationen - konsumiert und Schulden gemacht haben. Wie steht es um alle anderen Werte (außer Kapitalismus), die den Westen definieren? Mau. Einer Untersuchung in westlichen Demokratien zufolge sind es vor allem die Jungen, die immer weniger Sinn in einer liberalen Gesellschaftsordnung sehen. Wer ist eigentlich der Feind des Westens? Der Islam? Nein. Seine Gleichgültigkeit sich selber gegenüber. Im Moment haben die Trumps, Le Pens, Farags, Petrys eine Macht, den Westen zu zerstören, von der jeder Dschihadist nur träumen kann. Denn wenn aus unseren liberalen Demokratien autokratische Systeme werden, ist die freie Welt am Ende. 

Der Autor

Alexander Görlach ist Herausgeber und Chefredakteur des Debatten-Magazins "The European". Zurzeit befindet er sich als Gastwissenschaftler an der Divinity School der Harvard University.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.
Von Alexander Görlach