Andreas Püttmann über Heils- und Unheilsgeschichte

Das Lumen Christi und die Irrlichter

Veröffentlicht am 24.03.2016 um 00:01 Uhr – Von Andreas Püttmann – Lesedauer: 4 MINUTEN
Standpunkt

Bonn ‐ Andreas Püttmann über Heils- und Unheilsgeschichte

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Christen rund um den Erdball treten heute ins Triduum Sacrum ein, vertiefen sich in die Glaubensgeheimnisse vom Leiden, Kreuzestod und Auferstehen Jesu Christi. Die Evangelien zeugen von einer Heilsgeschichte, die uns innere Distanz zur Profangeschichte gewinnen lässt und ein Stück "entweltlicht". Die irdischen Wirklichkeiten werden relativiert und durch den Kontrastentwurf einer Liebe verfremdet, die stärker ist als der Tod.

Die Berichte, die wir in den großen Liturgien hören werden, sind aber auch – sogar für den Nichtgläubigen – ein atemberaubendes Drama menschlicher Irrtümer, Leidenschaften, Versuchungen und Abgründe, von Petri "Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen?" und "bitterlichem" Weinen aus Reue, über das geifernde "Ans Kreuz mit ihm!" der verhetzten Masse bis zu Jesu Ruf: "Mein Gott, warum hast Du mich verlassen?" Schwankende Gunst, infame Verleumdungen durch scheinbar Fromme, Opportunismus, Manipulierbarkeit, Unverständnis und der Verrat selbst engster Freunde – aus diesem Holz sind auch manche Kreuze unseres Lebens und milieukatholische Sittengemälde geschnitzt. Nachfolge Christi heißt, daran nicht zu verzweifeln oder zu verhärten, sondern geistlich und charakterlich zu wachsen.

Die Karwoche 2016 bietet auch politisch eine dramatische Kulisse von Unheilsgeschichte. Die Opfer von Brüssel und ihre Angehörigen haben ihren Karfreitag schon erlebt. Die Flüchtlinge im Schlamm vor den Stacheldrahtzäunen von Idomeni – einer zündete sich aus Verzweiflung an – und die durch fanatische Muslime verfolgten Christen des Orients können uns im "frohen Ostern" nicht unberührt lassen. Zudem treiben in unserem Land die völkisch-nationalistischen und autoritären Dämonen der Vergangenheit ihr Unwesen. In Internet-Subkulturen, boomenden Zeitschriften und auf öffentlichen Plätzen schüren sie frech und erfolgreich bis in "gutbürgerliche" und sogar christliche Kreise hinein Verschwörungstheorien, Ressentiment und Hass. Verräterisch ist ihre Gewaltfantasie: Schüsse auf Flüchtlinge, Abführung der Kanzlerin in der "Zwangsjacke", einen "Feuersturm" im Land herbeiredend, der "alles hinwegfegen und vernichten" werde, was dem glorifizierten "Eigenen" entgegensteht. Aus der Wort-Gewalt ist vielfach längst Tat-Gewalt geworden, am häufigsten in den entchristlichsten Zonen Deutschlands.

Thüringens AfD-Chef Höcke höhnte: "Der gläubige Christ weiß: Jesus sitzt wahrscheinlich nicht zufällig zur Rechten Gottes". Was soll noch passieren, damit "christlich-konservativen" AfD-Geneigten die Augen aufgehen? "Den Teufel spürt das Völkchen nie, und wenn er sie beim Kragen hätte", lässt Goethe seinen Mephisto sagen. Streiten und beten wir dafür, dass es den falschen Propheten "christlich-abendländischer Kultur" nicht gelingt, das "Lumen Christi" durch ihre ideologische Irrlichterei zu überstrahlen. Sonst werden sich am Ende nicht nur unsere Dome verdunkeln.

Der Autor

Andreas Püttmann lebt als Journalist und Publizist in Bonn.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.
Von Andreas Püttmann