Der Geist der Unterscheidung
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In der Öffentlichkeit, auch jüngst zur Familiensynode, wird viel mit dem Gegensatzpaar "konservative" und "Liberale" gearbeitet; gerne auch mit "Traditionelle" und "Progressive". So groß die Versuchung ist, sich dieser einfachen Etikettierung zu bedienen – wie ich aus eigener Erfahrung weiß: Letztlich geht es dabei um eine zunehmend müde und kraftlose Unterscheidung. Müde, weil sie vieles schlampig über einen Kamm schert, und kraftlos, weil sie anderes gar nicht erst begreifen hilft. Und zwar weder eine Person wie Papst Franziskus, noch die Vielfalt und intellektuelle Dynamik der Kirche – noch die letztlich entscheidende Frage: Wie wir diese Welt durch und mit Jesus Christus verändern.
Es ist ein spannendes und alles andere als banales Paradoxon, dass wir in einer Zeit, in der viel von der discretio die Rede ist, dem Geist der Unterscheidung, eher mit Schwämmen arbeiten. Wenn wir über die Rolle und Mission der christlichen Familie sprechen, wenn wir über die "große Familie Kirche" (Franziskus) in der Welt von heute debattieren wollen, brauchen wir aber keine weichen, wohlklingenden Wortschwämme, die Gegensätze aufsaugen, ohne sie zu vereinen. Wir brauchen – unter anderem – ein sauberes Instrumentarium. Ich meine damit keine "neue Sprache". Ich meine Werkzeuge, mit denen wir Probleme erst einmal definieren, bevor wir sie anpacken können.
Ein wahrer Freund und Helfer hierbei ist Gilbert Keith Chesterton, der zurecht auch der "Prinz des Paradoxons" genannt wird. Seine tiefe Einsicht etwa über Gerechtigkeit und Barmherzigkeit ist, dass deren scheinbarer Widerspruch in der Liebe aufgelöst wird; der Liebe zu "unliebbaren Menschen". Es gibt wenig Lektüre, die eine bessere Vorbereitung auf das Jahr der Barmherzigkeit sein wird als seine "Philosophie des Paradoxons", die der Schöpfer der "Pater Brown"–Krimis in seinem Meisterwerk "Orthodoxie" verewigt hat. Es sind Zeilen, die aus überzeugten Atheisten glückliche Christen machen können – wie ich aus eigener Erfahrung weiß.