Die Zukunft der Christdemokratie steht auf dem Spiel
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Der Konflikt zwischen Bundeskanzlerin und Innenminister um die Flüchtlingspolitik hat sich zugespitzt. Alle Versuche, zu Kompromissen zu kommen, sind in einer Sackgasse gelandet. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es besser wird, wenn jetzt noch einmal für die nächsten beiden Wochen ein solcher gefunden werden sollte. Es geht um mehr als um persönliche Animositäten oder gar kurzfristige Wahlkampfinteressen. Zur Debatte stehen das Rechtsstaatsverständnis, das Staatsverständnis in Zeiten der Globalisierung, die Zukunft der Christdemokratie in Deutschland sowie die Zukunft der europäischen Union, und das alles in einer extrem heiklen internationalen Lage.
Klar ist: Wenn Deutschland jetzt auf den Kurs von Orban, Kaczynski und neuerdings auch von Salvini einschwenkt, dann kippt etwas in Europa. Die europäischen Nationen und Staaten werden immer bedenkenloser ihre Eigeninteressen zulasten Dritter verfolgen, im aktuellen Falle der Flüchtlingspolitik zulasten der südeuropäischen Staaten. Diese werden ihrerseits ihre Eigeninteressen zulasten Dritter verfolgen, und alle gemeinsam ihre Interessen zulasten humanitärer Anliegen. Wie in diesem Zusammenhang überhaupt noch ein Verantwortungsgefühl in den europäischen Nationen für die vielbemühte "Bekämpfung der Fluchtursachen" sowie überhaupt für eine internationale Friedensordnung aufrecht erhalten werden soll, ist mir schleierhaft.
Sinn für Solidarität und Sinn für legitime Eigeninteressen müssen keine Gegensätze sein. Das hat gerade auch Bayern gezeigt. Der Freistaat hat nach 2015 die Hauptlast der Flüchtlingskrise getragen und dabei auch in Sachen Integration Hervorragendes geleistet. Wenn nun nationale Eigeninteressen und europäische Solidarität gegeneinander gestellt werden, wie es nicht etwa "die Bayern" tun, sondern diejenigen in der CSU, die dermaßen brachial die Machtfrage stellen, dann führt diese Zuspitzung tatsächlich eine historisch bedeutsame Entscheidungssituation herbei. Die Vision einer Europäischen Union war von Anfang ein Herzstück der deutschen (und der europäischen) Christdemokratie. Die CSU-Spitze stellt sie nun implizit mit zur Disposition. Ich hoffe, dass sie daran scheitert – damit der christdemokratische Gemeinsinn in der Union einschließlich seiner tragenden Grundwerte keinen weiteren Schaden nimmt. Wir werden ihn nämlich in Deutschland und Europa noch dringend weiter brauchen.