Andreas Püttmann über einen ehrenhaften Beruf

"Erbarmen mit den Politikern"

Veröffentlicht am 12.04.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Andreas Püttmann über einen ehrenhaften Beruf

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Nun sind sie in der "Osterpause", unsere Politiker, aber für die meisten gehen angesichts der zugespitzten internationalen Lage und des Superwahljahrs Regierungsgeschäfte oder Wahlkampf, Aktenstudium und Beratungen weiter. Man ist immer im Dienst, bleibt fast nirgendwo unerkannt, kann kaum einmal ganz privat sein. In einem brillanten FAZ-Essay: "Erbarmen mit den Politikern" (1992) spitzte Hans Magnus Enzensberger halbironisch zu: "Der Eintritt in die Politik ist der Abschied vom Leben, der Kuss des Todes". Und dies zu einem Gehalt, über das Profisportler, Führungskräfte der Wirtschaft, Klinikchefs, "Werbe-Ikonen", Showmaster und andere "Kulturprominente" nur müde lächeln. Hinzu kommt das schlechte Image: In Prestige-Umfragen krebsen unsere Volksvertreter am Ende der Skala, mit 6 Prozent Nennungen unter die fünf meistgeschätzten Berufe, weit hinter Ärzten, Krankenschwestern, Polizisten, Lehrern, Handwerkern, Geistlichen, Hochschulprofessoren, Ingenieuren und Apothekern.

Das mag damit zu tun haben, dass man Fehler im Flutlicht der demokratischen Öffentlichkeit schwerer verbergen kann als in anderen Berufen. Mehr noch damit, dass politische Entscheidungen nie jeden begünstigen können, so dass sich fast alle irgendwo benachteiligt oder in ihrer besseren Erkenntnis missachtet fühlen. Je mehr Narzissmus und Gesinnungsegozentrik in Internet-Filterblasen um sich greifen, desto politikverdrossener. So entstand ein idealer Nährboden für populistische Demagogen, die allen (Mehrheiten) alles versprechen und Ressentiment gegen "die da oben" schüren.

Ein langjähriger Hauptstadtkorrespondent, für sein kritisches Argusauge gefürchtet und respektiert, erzählte mir jüngst, wie vielen "ausgezeichneten Leuten" er im Politikbetrieb begegnet sei. Weit über dem Durchschnittsniveau, befand der gläubige Katholik. Das sehe ich auch so. Außer bei der Partei, die Politik(er)verachtung zu ihrem Geschäftsmodell machte, aber selbst bisweilen wie ein "Flohsack an Vorbestraften, mit Haftbefehl Verfolgten, Gescheiterten, Karrieristen, schräg Begabten und puren Rassisten" (Georg Diez) erscheint. Entsprechend giftig befehdet man sich dort gegenseitig – und die anderen von den verhassten "Altparteien" sowieso.

Christen sollten in die landläufige Parteien- und Politikerverachtung nicht einstimmen. Die Bibel fordert – wenn auch nicht bedingungslos (Apg 5,29) – Loyalität (Mt 22,21; Röm 13,1) und Gebet (1 Tim 2,2) für die Obrigkeit. Das Konzil ermuntert geeignete Bürger, sie sollten sich "darauf vorbereiten, den schweren, aber zugleich ehrenvollen Beruf des Politikers auszuüben, und sich diesem Beruf unter Hintansetzung des eigenen Vorteils und materiellen Gewinns widmen". In den großen Karfreitagsfürbitten werden wir wieder beten: "Schau gnädig auf jene, die uns regieren, damit auf der ganzen Welt Sicherheit und Frieden herrschen, Wohlfahrt der Völker und Freiheit des Glaubens". 2017 werde ich als Deutscher, im Blick auf andere Staaten nah und fern, besonders dankbar mitbeten.

Von Andreas Püttmann

Der Autor

Andreas Püttmann ist Politikwissenschaftler und freier Publizist in Bonn.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.