Michaela Pilters über Gerüchte und Gewissheiten in den Medien

Gefangen im Algorithmus

Veröffentlicht am 02.02.2016 um 00:01 Uhr – Von Michaela Pilters – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Michaela Pilters über Gerüchte und Gewissheiten in den Medien

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Ein toter Flüchtling hat die Berliner Polizei in Atem gehalten. Am Ende stellte sich heraus, dass es ihn gar nicht gab, ein ehrenamtlicher Helfer hatte die Geschichte erfunden. Ein Mädchen verschwindet, es soll vergewaltigt worden sein, der Fall zieht internationale Kreise und führt zu diplomatischen Verwicklungen. Auch diese Geschichte entbehrt jeder Grundlage. Beiden ist gemeinsam, dass sie Klischees bedienen und daher sehr schnell im Netz geteilt und weiterverbreitet wurden.

Es ist erschreckend, wie dieser Mechanismus funktioniert. Wenn etwas in das eigene Weltbild passt, - seien es "die bösen Flüchtlinge, die alle kriminell sind", seien es "die lahmen Behörden, die Menschen verhungern und erfrieren lassen", seien es Gewalttäter, die sich an jungen Mädchen vergreifen - immer dann ist die Bereitschaft groß, etwas zu glauben und weiterzuerzählen. Gerade die, die den Medien vorwerfen, "Lügenpresse" zu sein, verbreiten selbst nur zu gerne Unwahrheiten, wenn sie nur die eigene Meinung bestärken.

Auch früher schon haben Menschen die Zeitungen gelesen, die ihrer politischen Einstellung entsprachen. Aber mit den heutigen Möglichkeiten des Internets hat sich diese Blindheit auf dem einen Auge potenziert. Die Algorithmen der Suchmaschinen sorgen dafür, dass das angeboten und gefunden wird, was im gleichen Spektrum liegt. "Menschen, die das gelesen haben, interessieren sich auch für...".  Man hat Newsletter und Blogs abonniert, die den eigenen Ansichten entsprechen und diese verstärken. Kaum jemand setzt sich bewusst mit anderen Meinungen auseinander, man lässt nur das gelten, was einem selbst Recht gibt.

Glaube keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast, ist ein oft zitiertes Bonmot. Glaube keiner Geschichte, deren Wahrheitsgehalt Du nicht doppelt überprüft hast, gehört zu den journalistischen Grundsätzen. Eine Handlungsanweisung, die immer wichtiger wird. Die Glaubwürdigkeit der Medien ist ein hohes Gut, für das wir Journalisten verantwortlich sind. Aber auch die Nutzer der Medien sollten nicht leichtfertig mit dem Gehörten, Gelesenen oder Gesehenen umgehen. Vor allem, wenn es die Sprengkraft besitzt, die Gesellschaft noch mehr zu spalten, als sie ohnehin schon ist.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.
Von Michaela Pilters