Im zweiten Anlauf doch noch irgendwie fromm
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Das "TV-Duell" der Vorsitzenden von CDU und SPD am 3. September enthielt, im Rückblick betrachtet, nur wenige Höhepunkte. Einer davon war unfreiwillig komisch. Es geht um die Reaktion von Angela Merkel und Martin Schulz auf eine freche Frage der Moderatorin Sandra Maischberger: "Kurze Zwischenfrage, weil wir gerade über Religion geredet haben. Heute ist Sonntag. Ist einer von ihnen beiden in der Kirche gewesen heute?" Die Antwort der Protestantin Merkel klang zunächst nach dem unverbogenen Bekenntnis eines freien Christenmenschen – obwohl ihr Gesichtsausdruck eher so wirkte, als sei sie gerade bei einer Unterlassungssünde ertappt worden: "Ich war heute nicht in der Kirche!" Bei so viel Freimut wollte auch der kirchenferne Katholik Schulz nicht nachstehen und echote zunächst: "Ich war heute nicht in der…". Doch den Satz brach er ab und fuhr fort: "Ich war heute in einer Kapelle, ich war auf einem Friedhof heute, bei meinem Freund Frank Schirrmacher!"
Im letzten Moment schien ihm bewusst geworden zu sein, dass er damit vielleicht doch mehr punkten konnte als mit der sattsam bekannten Auskunft, dass er kein Kirchgänger ist. Nun aber mochte die CDU-Vorsitzende nicht als die kirchenfernere Kandidatin dastehen. Rasch fügte sie ihrerseits an, dass sie am Vortag eine kleine Kirche besucht habe, die ihrem vor genau sechs Jahren verstorbenen Vater sehr am Herzen lag. Dort habe sie an ihn gedacht.
Dieses im zweiten Anlauf nun doch etwas intensiver ausgefallene Frömmigkeitsbekenntnis der Kanzlerin konnte wiederum der Herausforderer nicht einfach so stehen lassen. "Wahrscheinlich haben wir im stillen Kämmerlein beide gebetet", so sein Versuch, dieses ungeplante und irgendwie auch peinlich wirkende Outing frommen Gedenkens wieder einzufangen. Mit dem Verweis des katholisch erzogenen Rheinländers auf Matthäus 6,6 in der Lutherübersetzung war dann der Exkurs in die Requisitenkammer des christlichen Abendlandes ebenso unvermittelt beendet, wie er begonnen hatte. Weiter ging es mit der Debatte um die Ausweisung von illegalen Migranten. Schade nur, dass sich in den folgenden 60 Minuten keiner der Moderatoren mehr zu ähnlich frechen Fragen aufraffen konnte.