Sophia Kuby über eine irritierende Veröffentlichung

Kein Schutz für Embryonen?

Veröffentlicht am 30.03.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Sophia Kuby über eine irritierende Veröffentlichung

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Es kommt nicht ganz unerwartet, aber es ist doch irritierend, mit welchen verbalen Nebelbomben elf Wissenschaftler der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina gerade den Versuch gestartet haben, das seit 1991 geltende Embryonenschutzgesetz zu Fall zu bringen. Medizinethiker, Juristen und Philosophen haben das Papier "Ethische und rechtliche Beurteilung des genome editing in der Forschung an humanen Zellen" veröffentlicht. Darin fordern sie, rechtlich den Weg für die Forschung an Embryonen und für die umstrittene Keimbahntherapie, also die genetische Veränderung von Embryonen, freizumachen. Das große Hindernis in Deutschland heißt Embryonenschutzgesetz, da es, wie der Name sagt, werdendes menschliches Leben grundsätzlich schützt und deshalb die Verwendung von menschlichen Embryonen zu Forschungszwecken verbietet.

Die Forschung soll an sogenannten "überzähligen" Embryonen erlaubt werden, so das Papier, also befruchtete Einzellen, die bei einer künstlichen Befruchtung übrigbleiben und dann kryokonserviert eingelagert werden – eine Praxis, die gegen geltendes Gesetz verstößt, da immer nur so viele Eizellen befruchtet werden dürfen, wie bei einem IVF-Zyklus (In-vitro-Fertilisation) auch der Frau eingepflanzt werden. Allerdings ist es seit langem bekannt, dass sich in Deutschland eine große Menge an kryokonservierten Embryonen befinden. Davon unbenommen, bescheinigen die Autoren den "überzähligen" Embryonen "keine reale Lebenschance". Es klingt erst einmal überzeugend, sie für die Forschung zu verwenden, anstatt sie bis zum Sanktnimmerleinstag eingelagert zu lassen. Dieser Sprachgebrauch verwirrt allerdings bewusst die Sachlage, da der Medizinjurist an der Universität Mannheim, Prof. Taupitz, und Kollegen natürlich wissen, dass diese Embryonen biologisch grundsätzlich lebensfähig sind, würden sie in einen Uterus eingepflanzt werden. Dass sich Eltern oft nicht dafür entscheiden, diese auch auszutragen, ändert aus wissenschaftlicher Sicht aber nichts daran, dass es sich um einen potentiell lebensfähigen Embryo handelt. Der Kern des Embryonenschutzgesetzes ist ja gerade, dass eine Einzellfallregelung hier ethisch unzulässig ist, da ein Embryo niemals nur halb Mensch sein kann und es das Würdegebot damit verbietet, diesen zu "einem anderen Zweck als der Herbeiführung einer Schwangerschaft" zu verwenden, so das geltende Gesetz.

Eine weitere rhetorische Verwirrungstaktik fährt Prof. Taupitz mit dem Versuch, eine Änderung des Embryonenschutzgesetzes unter dem Vorwarnd zu fordern, es regle gar nicht alle Bereiche des Umgangs mit Embryonen. So sei der Umgang mit "synthetischen Embryonen" nicht geregelt, sagte er gestern der FAZ. Was er allerdings damit meint, sind keineswegs Embryonen, sondern iPS-Zellen, also auf Pluripotenz rückprogrammierte Körperzellen, die eben gerade nicht aus Embryonen gewonnen werden und damit keinerlei ethisches Problem darstellen. Im Gegenteil, der Japaner Shinya Yamanaka bekam für diese aus wissenschaftlicher und ethischer Sicht bahnbrechende Entdeckung 2012 den Nobelpreis.

Die Debatte um den zukünftigen Umgang mit werdendem Leben ist in Deutschland nun erneut angestoßen. Es sollte allerdings fair gespielt und begrifflich sauber argumentiert werden, anstatt mit wissenschaftlich unsinnigen Begriffen dem Vorhaben einen pseudo-ethischen Anstrich zu geben.

Von Sophia Kuby

Die Autorin

Sophia Kuby ist Direktorin des EU-Büros der internationalen Menschenrechtsorganisation ADF International.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.