Kreuz, Kopftuch, alles gleich?
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Der Streit um das Kopftuch geht in die nächste Runde. Erstmals befasste sich der Europäische Gerichtshof in Luxemburg nun mit der Frage von Kopftuchverboten in privaten Unternehmen. Bislang ging es vor allem um Kopftuchträgerinnen in öffentlichen Einrichtungen. Die Urteile orientieren sich jetzt vor allem am Gleichbehandlungsgrundsatz. Entweder alle religiöse Symbole untersagen oder keins. Das leuchtet zunächst ein. Doch unproblematisch ist das nicht.
Das Kopftuch ist eigentlich nur ein Detail, selbst in der muslimischen Gemeinschaft ist der Hidschab umstritten. Bei vielen Frauenrechtlerinnen gilt das Kopftuch als Zeichen der Unterdrückung der Frau im Islam, nicht als religiöses Symbol, sondern als ein politisches. Manchen jungen Musliminnen hingegen ist es mehr modisches Accessoire als Ausdruck von Frömmigkeit. Wieder anderen ist es kämpferischer Ausdruck einer konservativen Frömmigkeit, die sich mitunter sogar gegen die liberalere Elterngeneration richtet. Diese Vielschichtigkeit macht es so schwer, ein klares Urteil zu finden. Ist das Kopftuch Integrationshemmnis – oder Ausdruck von religiöser Pluralität in Europa?
Gewiss ist eine reine rein juristische Klärung unmöglich, es braucht auch eine gesellschaftliche Debatte und vielleicht auch einen Konsens zu der Frage von Sichtbarkeit von Religion in der Öffentlichkeit. Gewiss überrascht eine Nonne im Habit heute in Berlin-Mitte mehr als eine Frau mit Hidschab. Es kann nicht der richtige Weg sein, alles Religiöse aus dem öffentlichen Raum verbannen zu wollen um des hohen Gutes der Neutralität willen. Und es darf auf der anderen Seite nicht alles gleichgesetzt werden. Eine kleines Kreuz am Revers oder ein Anhänger um den Hals sind etwas anderes als ein Kopftuch.
Es muss fernab aller juristischen Anti-Diskriminierungsbemühungen und Neutralitätsgebote zudem eine Verständigung darüber möglich sein, dass das Kreuz, die Kirchen und andere Ausdrucksformen des christlichen Glaubens in der Öffentlichkeit zum Erbe und Schatz – ja, vielleicht zur Identität – des Gemeinwesens gehören. Wenn dieses Verständnis schwindet, setzt sich eine "Selbstvergleichgültigung" fort, wie es Alt-Bischof Wolfgang Huber formulierte, die dann den Zusammenhalt der Gesellschaft bedroht – in die dann auch keine Integration mehr möglich ist.