Schweigen ist falsch
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Vier Imame aus England empfängt der Papst heute in Audienz. Der Londoner Kardinal Vincent Nichols begleitet sie nach Rom. Anstoß war der jüngste Terroranschlag in London, bei dem ein dschihadistisch inspirierter Einzeltäter vor dem Parlament vier Menschen mit in den Tod riss. Ende April ein weiterer Schritt religionsübergreifender päpstlicher Friedenspolitik: Franziskus reist nach Ägypten, trifft den Großimam der sunnitischen al-Azhar Universität, beide halten eine Rede vor einem interreligiösen Friedenskongress, den der Vatikan in Kairo mitorganisiert.
Zahlreich sind die Anstrengungen, die Franziskus unternimmt, um in Zeiten des Terrors den Schulterschluss mit den Vernünftigen aller Religionen zu suchen. Die interreligiösen Friedensgebete von Assisi haben Tradition, Johannes Paul II. hat sie lange vor dem fatalen 11. September begründet und noch 2002 wiederholt. Der zunächst skeptische Benedikt XVI. führte die Tradition fort, und hätte es "Assisi" noch nicht gegeben, Papst Franziskus hätte es gewiss erfunden. Persönlich befreundet mit einem argentinischen Islam-Gelehrten, setzte Franziskus eine Reihe unübersehbarer Friedensgesten in Richtung der islamischen Welt. 2013 die Gebetswache für Syrien, vier Abendstunden auf dem Petersplatz, noch nie hat ein Gebet mit Papst länger gedauert. 2016 das Friedensgebet mit den Präsidenten Israels und Palästinas in den Vatikanischen Gärten. Überhaupt, die Reisepolitik: Albanien, Türkei, Zentralafrika, Zentralasien, Moscheenbesuche, ausgestreckte Hände, Bruderküsse. Und am liebsten noch heute würde Franziskus nach Syrien fliegen, um sich dort mit dem Gewicht seines Amtes und seiner Stimme für den Frieden ins Zeug zu legen – dem Terror zum Trotz.
Was nützt das alles?, fragen Kritiker. Es stimmt ja, während ich schreibe oder Sie lesen, ist - Assisi hin, Imam-Umarmung her - womöglich schon der nächste mörderische Terrorist am Steuer eines LKW zugange, der seine Religion missbraucht, um andere zu töten. Und doch: Begegnung, Reden, Zuhören und Beten sind die einzigen menschlichen Instrumente, die überhaupt eine Chance haben, Misstrauen und Hass zwischen Religionen aufzuweichen. Je blutiger der Terror, desto stärker muss die Allianz der Friedfertigen werden, und desto klarer muss die Solidarität der Kirche mit den muslimischen Brüdern und Schwestern zutage treten, die weltweit betrachtet die ersten Opfer des islamistischen Terrors sind. Reden ist Silber, Beten ist Gold. Nur Schweigen ist falsch.