Johanna Heckeley über die Leitkultur-Diskussion

Wie deutsch wollen wir sein?

Veröffentlicht am 03.05.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Johanna Heckeley über die Leitkultur-Diskussion

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Ach ja, da hat Thomas de Maizière (CDU) sie wieder ausgegraben, die Leitkultur der Deutschen. Seit der damalige CDU-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz den Begriff 2000 in die Diskussion um Integration einbrachte, wird er von den seinen mit schöner Regelmäßigkeit wiederbelebt. "Wer gehört dazu?", fragte also nun auch der Innenminister in der "Bild am Sonntag" und antwortete mit einem Zehn-Punkte-Katalog, der erwartungsgemäß eine Debatte auslöste.

De Maizière wollte damit eine "Richtschnur des Zusammenlebens in Deutschland" aufstellen, die "erprobte und weiterzugebende Lebensgewohnheiten" beinhaltet. Seine Regeln taugen indes mehr zur Ab- und Ausgrenzung. "Wir sind aufgeklärte Patrioten", "wir sind Kulturnation", schreibt er etwa, und "wir sind nicht Burka". Aber sind wir wirklich die sich die Hand gebende, Leistung fordernde, christlich geprägte, heimatlich verwurzelte Gesellschaft, die er beschreibt? Oder doch eher die Kehrwoche erledigenden, Socken in den Sandalen tragenden, Diesel-Abgaswerte verfälschenden, pünktlichen und korrekten, aber humorlosen Menschen, als die uns "das Ausland" kennt? Und was davon wollen wir wirklich sein?

Natürlich will das de Maizière im Wahlkampfmodus nicht beantworten. Ihm dient seine Leitkultur-Debatte als Wahlköder für den rechten Rand. Das ist bedauerlich, denn sein Katalog beinhaltet Punkte, die wirkliche Beachtung verdienten. "Allgemeinbildung hat einen Wert für sich", behauptet er etwa. Das steht im krassen Gegensatz zu den vielen sanierungsbedürftigen Schulen und schlecht abschneidenden Schülern aus nicht so gut gestellten Familien, die Förderung benötigen. "Leistung und Qualität bringen Wohlstand" ist ein weiterer Punkt. Aber warum ist dann in Deutschland fast jeder zehnte Beschäftigte trotz Arbeit von Armut bedroht?

Und natürlich kann und sollte man auch Respekt, Toleranz und Religion diskutieren. Aber nicht, wie bei de Maizière, mit einer als Schreckgespenst vorweggetragenen Burka und schon gar nicht unter dem Banner der Leitkultur, bei der das "Leit" eher an den sprichwörtlichen Hammel erinnert, dem es treudoof zu folgen gilt, und  "Kultur" Assoziationen eines fähnchenschwenkenden Deutschtums weckt.

Von Johanna Heckeley

Die Autorin

Johanna Heckeley ist Redakteurin bei katholisch.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.