Volker Resing über die Auslandsberichterstattung der Medien

Wir brauchen eine größere Neugierde für Amerika

Veröffentlicht am 11.11.2016 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Volker Resing über die Auslandsberichterstattung der Medien

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Wer in New York lebt, kauft morgens die New York Times. Am Samstag gibt es die weltbekannte Zeitung sogar mit Plastiktüte, weil sich das wuchtige Blatt sonst nicht transportieren lässt. Ich erinnere mich, wie ich im Sommer 2001 im Norden Manhattens im Inwood Hill Park gesessen und mich durch die Zeitung gewühlt habe. Da stand ziemlich weit vorne im Politikteil ein Porträt einer deutschen Politikerin, mehr als eine halbe Seite lang. Es ging um Angela Merkel, sie war neue CDU-Parteivorsitzende, und ich dachte: die spinnen die Amis. Warum interessieren die sich für Angela Merkel? Die wird schnell wieder verschwunden sein, so meinte ich. Die NYT hingegen begeisterte sich an der Aufsteigerin aus dem Osten, die unterdrückt worden war und nun Amerika und die Freiheit liebe. Sie könne Kanzlerin werden.

Damals stand auch einiges über Donald Trump in der New York Times. Ein durchgeknallter Unternehmer, der die Stadt mit hässlichen wie teuren Hochhäusern überziehe. 2001 wurde das Trump World Tower eröffnet, eines der übergroßen und prägenden Wolkenkratzer der Stand am East River. Ich habe mich damals nicht sonderlich für ihn interessiert – mehr für seinen heutigen Unterstützer, den Ex-Bürgermeister Rudy Giuliani, der die Stadt mit seiner so genannten "Null Toleranz" gegenüber Kriminalität wieder lebenswerter gemacht habe.

Seit meiner Zeit in den USA liebe ich diese Stadt. Ich habe vor allem gelernt, dass wir in Europa zu wenig über Amerika wissen. Deswegen sind auch manche Erklärungen zu Trumps Sieg jetzt so wenig analytisch und stattdessen bloß meinungsstark. Was ich von der New York Times gelernt habe, ist ein viel größeres Interesse für die "Welt", denn es gibt dort eine deutlich breitere, neugierigere und vielfältigere Auslandsberichterstattung als in deutschen Zeitungen. Auch das ist ein Teil von "Weltmacht" bzw. globaler Verantwortung.

Was wir auch aus der Wahl von Donald Trump lernen sollten, ist eine größere Neugierde für Amerika – und generell für andere Länder. Weniger Vorurteile! Vor allem brauchen wir in der Auslandsberichterstattung deutlich mehr Reportagen  - und viel weniger Kommentare. Über Trump, Putin, Erdogan, Orban, Marine Le Pen haben alle eine Meinung, aber wer kennt die Länder, wer analysiert die wahren Probleme dort und die Stimmungen in der Provinz? Unsere Zeitungen müssen dicker werden! Mehr Auslandsberichterstattung, mehr Reportagen aus dem Mittleren Westen, wo die Trump-Wähler herkommen. Dann lernen wir vielleicht auch etwas über uns, über unsere Populisten, über die Probleme in Sachsen und im Ruhrgebiet – und sind nach den Wahlen im kommenden Jahr nicht so überrascht.

Von Volker Resing

Der Autor

Volker Resing ist Chefredakteur der Herder Korrespondenz.

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