Strafender Gott oder barmherziger Vater?
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Impuls von Bruder Martin Koch
Wie in fast jeder anderen Pfarrei, so gibt es auch bei uns viele Beerdigungen. Und dabei ist mir etwas aufgegangen. Eine ganze Generation tritt ab. Die Kriegsgeneration. Die heute 90-Jährigen wurden sogar schon als Kinder in die Wehrmacht oder Waffen-SS gepresst. Und viele von diesen Kindern wurde im Krieg schlichtweg verheizt. Die, die überlebten, trugen äußerliche und auch innerliche Verletzungen davon. Letztere, die seelischen Verwundungen, heilten meist nie wieder. Krieg, Gefangenschaft und das Wissen darum, zu den Verlieren der Weltgeschichte zu gehören, prägte diese Generation. Was ihnen noch blieb, das war ihr Glaube.
Und für die gilt die Zusage des Propheten Jesaja: "Ich hielt meinen Rücken denen hin, die mich schlugen, und denen, die mir den Bart ausrissen, meine Wangen. Mein Gesicht verbarg ich nicht vor Schmähungen und Speichel. Doch Gott, der Herr, wird mir helfen; darum werde ich nicht in Schande enden. Deshalb mache ich mein Gesicht hart wie einen Kiesel; ich weiß, dass ich nicht in Schande gerate." Deshalb mache ich mein Gesicht hart wie einen Kiesel, hart wie Stein. Und bei der Generation der Kriegsteilnehmer, besonders bei denen, die in den Krieg hineingepresst wurden, blieb das Gesicht auch nach dem Krieg hart, das Gesicht und oft auch Teile der Seele. Viele wurden hart, gegen sich selbst, aber auch gegen ihre Kinder. Und wie geht es weiter?
"Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten", heißt es in unserm Glaubensbekenntnis. Christus kommt als der Richter, als derjenige, der uns zur Verantwortung zieht, der nach unserem Leben fragt, was wir getan, gedacht und gesagt und unterlassen haben. Für die Mädchen und Buben der Kriegsjahre war dieses Bild des Weltenrichters mit viel Angst verbunden. Kirche und Gesellschaft nutzten dieses Bild des strafenden Gottes, um Angst in die Herzen der Kinder zu sähen, auch um sie gefügig zu machen für Volk und Vaterland.
Warum konnten ganze Generationen den barmherzigen Vater übersehen? Ja, sogar der Papst hält es für nötig, ein ganzes Heiliges Jahr auszurufen, damit wir Gottes Barmherzigkeit wiederentdecken können. Denn Jesus selbst hat uns die Barmherzigkeit Gottes offenbart: im Vater Unser, in zahlreichen Gleichnissen, besonders aber im Gleichnis vom barmherzigen Vater und vom verlorenen Sohn.
Das ist die große Zusage an jede und jeden von uns: Egal wie dein Leben verlaufen ist, egal wie viele Fehltritte du dir geleistet hast, egal wie viel Schuld du auf dich geladen hast, komm zurück in das Haus des Vaters und ich werde dich aufnehmen, so wie du es verdient hast, als Königskind des göttlichen Vaters und wir werden ein Fest feiern, denn mein Kind ist endlich wieder zuhause angekommen. Denn das gilt für uns Christen definitiv: Unser Leben geht todsicher lebendig aus.
Evangelium nach Lukas (Lk 6, 39-42)
In jener Zeit kamen alle Zöllner und Sünder zu Jesus, um ihn zu hören. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen.
Da erzählte er ihnen ein Gleichnis und sagte: Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der Steppe zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet? Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern, und wenn er nach Hause kommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir; ich habe mein Schaf wieder gefunden, das verloren war. Ich sage euch: Ebenso wird auch im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren.
Oder wenn eine Frau zehn Drachmen hat und eine davon verliert, zündet sie dann nicht eine Lampe an, fegt das ganze Haus und sucht unermüdlich, bis sie das Geldstück findet? Und wenn sie es gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und sagt: Freut euch mit mir; ich habe die Drachme wieder gefunden, die ich verloren hatte. Ich sage euch: Ebenso herrscht auch bei den Engeln Gottes Freude über einen einzigen Sünder, der umkehrt.
Weiter sagte Jesus: Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht. Da teilte der Vater das Vermögen auf. Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen. Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über das Land, und es ging ihm sehr schlecht. Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten. Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab ihm davon.
Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben mehr als genug zu essen, und ich komme hier vor Hunger um. Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner. Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von weitem kommen, und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
Da sagte der Sohn: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein. Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand, und zieht es ihm an, steckt ihm einen Ring an die Hand, und zieht ihm Schuhe an. Bringt das Mastkalb her, und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein. Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wieder gefunden worden. Und sie begannen, ein fröhliches Fest zu feiern.
Sein älterer Sohn war unterdessen auf dem Feld. Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz. Da rief er einen der Knechte und fragte, was das bedeuten solle. Der Knecht antwortete: Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn heil und gesund wiederbekommen hat.
Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und redete ihm gut zu. Doch er erwiderte dem Vater: So viele Jahre schon diene ich dir, und nie habe ich gegen deinen Willen gehandelt; mir aber hast du nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte.
Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet. Der Vater antwortete ihm: Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein. Aber jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern; denn dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wieder gefunden worden.