Irgendwann aber müssen die Mediziner einsehen: Ihre Versuche waren vergeblich, eine vollständige Heilung ist nicht möglich. Scheinbar unerwartet verweisen sie den Betroffenen aufs Hospiz. So geschieht es Tag für Tag in deutschen Krankenhäusern. Nicht wenige Fachleute halten diesen Umgang mit Schwerkranken für verkehrt: "Viele Ärzte denken in zwei Etappen", sagt der Sozialmediziner Norbert Schmacke von der Universität Bremen. "Die eine Etappe, das ist die richtige Medizin, die urplötzlich und unerwartet an ihre Grenzen kommt." Dann würden auf einmal Palliativmedizin und Hospize ins Leben treten: "Das sind Parallelwelten, die da nebeneinander stehen, das funktioniert nicht", urteilt der Gesundheitswissenschaftler. Er plädiert dafür, die klassische Medizin und palliative Ansätze viel stärker miteinander zu verbinden.
Palliation - vom lateinischen pallium = Mantel - steht für die Linderung von Leiden. Die Palliativmedizin kann Schmerzen heutzutage wirksam bekämpfen. Kuration hingegen werde oft mit vollständiger Heilung gleichgesetzt, sagt Norbert Schmacke. In der klassischen Medizin seien beide Bereiche oft scharf voneinander abgegrenzt. Dabei sei gerade der Zusammenhang zentral: "In einem erweiterten Verständnis geht es darum, mit dem Kranken frühzeitig vernünftige Therapieziele zu besprechen." Also solche, die auch erreichbar sind.
Ärzte sollten die grenzen der Medizin thematisieren
Ärzte sollten gegenüber Schwerkranken häufiger die Grenzen der Medizin thematisieren, fordert der Sozialmediziner. Viele hätten jedoch eine eingeengte Sicht und ein Selbstverständnis, das alles andere als die Heilung als Niederlage betrachtet. "Deshalb verstehen sie Palliation häufig verkürzt als den Bereich, der in den letzten Krankheitsstadien das Leben erträglicher macht und Schmerzen lindert." Also als die Disziplin, die fürs Sterben zuständig ist, abgetrennt von der klassischen Medizin.