Debatte um Neuregelung der Suizidbeihilfe geht weiter

Was ist mit den Ärzten?

Veröffentlicht am 03.11.2015 um 14:35 Uhr – Von Björn Odendahl – Lesedauer: 
Suizidbeihilfe

Bonn ‐ Wenn am Freitag im Bundestag über die Suizidbeihilfe abgestimmt wird, scheint nur ein Entwurf mehrheitsfähig. Mit dem Vorschlag der Abgeordneten um Michael Brand und Kerstin Griese würden die Parlamentarier einen Mittelweg beschreiten.

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Bereits seit Veröffentlichung der Entwürfe im vergangenen Sommer galt der Vorschlag, den die Abgeordneten um Michael Brand (CDU) und Kerstin Griese (SPD) vorgelegt hatten, als Favorit. Der vorgeschlagene Gesetzestext lautet: "Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." Straffrei bleibt in dem Entwurf dagegen derjenige, der "selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht".

Unterstützung bekam dieser Entwurf nun von den Fraktionsvorsitzenden von Union, SPD und Grünen. Volker Kauder (CDU), Thomas Oppermann (SPD) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne) warben in einem am Dienstag veröffentlichten gemeinsamen Brief für ein Verbot jeglicher organisierter Beihilfe zur Selbsttötung. "Wir sehen die große Gefahr, dass das geschäftsmäßige Angebot von Sterbehilfe insbesondere alte und kranke Menschen, die anderen nicht zur Last fallen wollen, unter Druck setzt, ihr Leben mit fremder Hilfe frühzeitig zu beenden", heißt es in dem Brief.

Auch Kardinal Marx gegen geschäftsmäßig organisierte Hilfe

"Eine solche Entscheidung ist - auch angesichts einer immer besser werdenden medizinischen und menschlichen Begleitung in Leidensphasen - tragisch und kann durch eine gute menschliche und medizinische Sterbebegleitung abgewendet werden", schreiben die Vorsitzenden. Der Etablierung von sogenannten Sterbehelfern, die ihre Angebote in Anzeigen offerieren, dürfe nicht weiter der Weg bereitet werden. Die Gesellschaft würde ein falsches Signal setzen, wenn "wir solche Angebote weiterhin zulassen oder gar staatlich regulieren".

Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hat erneut an die Parlamentarier appelliert: "Geschäftsmäßig organisierte Hilfe zum Suizid darf es in Deutschland nicht geben!" Zugleich rief er die Abgeordneten am Montagabend im Münchner Liebfrauendom dazu auf, im Bundestag auch für eine Ausweitung der Hospiz- und Palliativmedizin zu stimmen. Es gelte, eine neue Qualität der Palliativmedizin voranzubringen, bei der sich die Kirche gerne einbringen wolle.

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Video: © katholisch.de

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Uneingeschränkte Zustimmung bekommt allerdings auch der Entwurf von Brand und Griese nicht. Problematisch scheint die genaue Definition des Begriffs "geschäftsmäßig" zu sein. Für Befürworter des Entwurfs bedeutet er vor allem, Sterbehilfevereine und die Tätigkeiten von Ärzten, die gezielt und wiederholt Beihilfe zur Selbsttötung anbieten, zu verbieten. Über den konkreten – und vielleicht einmaligen – Einzelfall, in dem ein Arzt beim Suizid hilft, macht der Entwurf keine genauen Aussagen.

Die Abgeordneten Peter Hintze (CDU) und Renate Künast (Grüne), die beide einen eigenen Entwurf vorgelegt haben, sehen darin dennoch den Versuch einer "Neukriminalisierung der Suizidhilfe". Eine Bestrafung, wie sie der Gesetzentwurf von Brand und Griese vorsehe, "würde Ärzte der ernsthaften Gefahr staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen aussetzen", so Hintze und Künast. Es wäre demnach besser, die jetzige Rechtslage beizubehalten, als das Strafrecht zu verschärfen. Aktuell ist Ärzten die Assistenz beim Suizid gesetzlich erlaubt. Ihr Standesrecht verbietet es ihnen allerdings.

Montgomery sieht keine Gefahr einer Kriminalisierung von Ärzten

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, sieht dagegen keine Gefahr einer Kriminalisierung von Ärzten. In einem am Montag an alle Bundestagsabgeordneten verschickten Brief wandte sich Montgomery ausdrücklich gegen die Aussage von Künast und Hintze. "Dieses Argument dient ausschließlich der Verunsicherung der Abgeordneten (und auch einiger Ärzte)", heißt es in dem Schreiben. Montgomery trat ferner der Behauptung entgegen, es gäbe einen "Flickenteppich" von Bestimmungen in der ärztlichen Berufsordnung. Stattdessen hätten die Präsidenten der 17 Ärztekammern Deutschlands Ende 2014 gemeinsam festgestellt, dass es nicht zu den ärztlichen Aufgaben gehöre, sich am Suizid eines Patienten helfend zu beteiligen.

Ginge es nach Peter Hintze, würde eine "ärztlich begleitete Lebensbeendigung" explizit erlaubt. Die Gruppe um Renate Künast will darüber hinaus auch Sterbehilfevereine legalisieren, solange sie nicht auf Gewinn abzielten. Den radikalsten Entwurf haben die CDU-Abgeordneten Patrick Sensburg und Thomas Dörflinger vorgelegt – allerdings für den Lebensschutz. Demnach soll die Beihilfe zur Selbsttötung in allen Fällen verboten und mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Den drei Entwürfen werden jedoch nur wenige Chancen eingeräumt. Am Ende könnten die Gegner des Vorschlags Brand/Griese deshalb versuchen, genug Abgeordnete dazu zu bewegen, mit einem "Nein" zu stimmen. So würde eine Gesetzesänderung verhindert. (mit Material von KNA)

Themenwoche: Debatte um Suizidbeihilfe

Bisher ist die Beihilfe zum Suizid in Deutschland nicht strafbar. Anfang November 2015 will der Deutsche Bundestag darüber entscheiden, ob das so bleibt. Aus diesem Anlass erläutert katholisch.de die wichtigsten Begriffe und Positionen rund um das Thema Sterbehilfe und stellt Alternativen wie Hospizarbeit und Palliativmedizin vor.
Von Björn Odendahl