Menschen mit Behinderung
"Vom christlichen Menschenbild her besitzt jeder Mensch einen absoluten Wert und ist von unserem Schöpfer gewollt. Wir brauchen eine Kultur der Achtsamkeit im Zusammenleben der Menschen. Ein wichtiges Anliegen ist es in diesem Zusammenhang, Menschen mit Behinderungen mehr Zugang und Beteiligung am gesellschaftlichen, aber auch am kirchlichen Leben zu ermöglichen", so Kardinal Karl Lehmann in seinem Geleitwort zu "unBehindert Leben und Glauben teilen".
Damit ist eine zentrale Aufgabe heutiger Behinderten- und Psychiatrieseelsorge klar benannt. Menschen mit Behinderung sollen darin unterstützt werden, mehr Selbständigkeit zu erreichen und gemeinsam mit allen anderen Leben und Glauben zu teilen. Behinderung liegt nicht nur in der Person der Betroffenen begründet, sondern ebenso in der Unfähigkeit des Umfelds, diesen Menschen umfassende Teilhabe zu bieten. Es gilt ein Bewusstsein zu schaffen, das einen anderen, offeneren Umgang mit den Grenzen anderer Menschen, aber auch mit eigenen Begrenzungen ermöglicht.
Seelsorge an Menschen mit Behinderungen geschieht an den Schnittstellen Gemeindeleben und Angeboten der Behindertenhilfe. Sie kann geistliche Orientierung, seelsorgliche Begleitung sowie karitative Hilfen anbieten. Ein wichtiger Baustein ist die Förderung der behindertengerechten und barrierefreien Teilnahme am Leben der Kirche in der Gemeinde: durch leichte Sprache, technische Hörhilfen, Gehörlosengottesdienste, bauliche Veränderungen oder Transportdienste.
Seit März 2009 gilt auch in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention. Sie enthält als Kern den Inklusionsgedanken, der weit über bisherige Integrationsanstrengungen hinausgeht. Gemeint ist damit, dass jedes Individuum "gleich wertig" ist und von Anfang an am Alltag aller teilnehmen soll: ob in Schule, Arbeit, Freizeit oder kirchlichem Leben.
"Normal" ist das Zulassen und die Anerkennung von Unterschieden. Dabei gilt es nicht nur, Menschen im Sinne einer Integration an vorgegebene Bedingungen und Strukturen heranzuführen, sondern die Bedingungen und Strukturen so zu gestalten, dass jeder Mensch seine Eigen- und Einzigartigkeit einbringen kann.
In einer inklusiven Kirche wäre es nicht mehr nötig, dass Seelsorge Menschen mit Behinderungen in einem isolierten Lebensumfeld, in Wohneinrichtungen, Förderschulen, Arbeitsstätten oder Kliniken aufsucht. Inklusive Seelsorge geschähe da, wo ohnehin alle Menschen zusammen sind und Vielfalt wertgeschätzt wird.
"Leben und Glauben mit behinderten Menschen und ihren Angehörigen zu teilen, ruft nach einer lebensfördernden Pastoral" ("unBehindert Leben und Glauben teilen"). Behindertenpastoral in diesem Sinne arbeitet dafür, einen Beitrag zu leisten, dass jeder Mensch mit seiner Lebensgeschichte, seinen Grenzen und Möglichkeiten, eine Bereicherung für alle Menschen darstellt. (mwi/mme)